Stadtentwicklung

Im Jungbusch vernetzt sich Widerstand gegen Gentrifizierung

Nicht nur in der Neckarstadt grassiert die Gentrifizierung. Seit Jahren wird auch im Jungbusch die ursprüngliche Bevölkerung verdrängt.

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Die Vereinskneipe im 1.OG ist bis auf den letzten Stuhl gefüllt, einige müssen stehen. Zum Stadtteiltreffen gegen Gentrifizierung kommen rund 50 Leute in den selbstverwalteten Arbeitersportverein (ASV), der seit gut 20 Jahren seine Räume in einem Hinterhaus in der Beilstraße hat. Gekommen sind Leute aller Altersgruppen, darunter auch Vertreter von Polit-Gruppen und Parteien, die meisten jedoch AnwohnerInnen und MieterInnen, viele aus dem Jungbusch, manche auch aus anderen Stadtteilen. „Aus Solidarität“, wie letztere betonen. Eingeladen hatte das stadtpolitische Bündnis „Wem gehört die Stadt“ (WGDS), das schon in der Neckarstadt Proteste gegen den Abriss der Sozialwohnungen in der Carl-Benz-Straße organisiert hatte.

Edelschuppen oder Kietzkneipe?

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Das Bündnis WGDS hatte in den Arbeitersportverein (ASV) eingeladen | Foto: CKI

Den Anlass zum Treffen bot die Kündigung des Stehcafé und Kiosk „Kardeş“ direkt nebenan. Das Team ist anwesend und schildert seine Geschichte. Sie seien schon lange in den Räumen, es habe nie Probleme gegeben. Diese fingen erst mit dem Verkauf des Hauses an die BNP Paribas 2013 an. „Schon damals haben sie versucht, uns raus zu kriegen, was aber nicht geklappt hat“, erzählt der Betreiber. Dann sei erst mal um sie herum modernisiert worden, die Mieterstruktur habe sich geändert und nun sei wohl ein Punkt erreicht, wo man das „Problem Kardeş“ angehen wolle. Wegen angeblicher Ruhestörung wurde ihnen fristlos gekündigt, innerhalb weniger Tage sollten sie die Räume verlassen. Die Ruhestörung sehen alle im Raum als Vorwand, um die Mieter los zu werden. „Gerade bei der Ruhestörung beobachten wir, dass im Jungbusch oft mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagt ein Rechtsanwalt, der MieterInnen im Jungbusch vertritt und die Gentrifizierungsprozesse schon lange beobachtet. Finanzstarke, ins städtische Konzept passende Gastronomien könnten sich einiges raus nehmen, sehr zum Nachteil der AnwohnerInnen, während bei kleineren Kneipen, wie dem „Kardeş“, die Ruhestörung als Vorwand zur fristlosen Kündigung dient. „Wir haben jedenfalls Widerspruch eingelegt. So einfach kriegen die uns nicht los“, sagt eine der Mitarbeiterinnen.

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Auch dem Café Batia an der Ecke Beilstraße/Werftstraße wurde gekündigt | Foto: CKI

Nicht nur das „Kardeş“ hat Probleme. Die Galerie Strümpfe in der Jungbuschstraße soll bedroht sein, das „Blau“ ein paar Häuser weiter soll eine Mieterhöhung, die kleine Kneipe daneben sogar eine Kündigung bekommen haben. Auch MieterInnen sind beim Treffen, die von unverschämten Mieterhöhungen und Kündigungsandrohungen in BNP Paribas Häusern berichten. Dem Café „Batia“ an der Ecke Beilstraße/Werftstraße wurde ebenfalls gekündigt. Pepe, der Betreiber, schimpft lautstark. Seine Begleiterin ergänzt, dass sie den Laden seit 20 Jahren betreiben und überhaupt kein Verständnis dafür haben, dass sie nun gehen sollen. Die Gründe dafür sind nach ihrer Meinung die von der Stadt vorangetriebenen Entwicklungen im Stadtteil. „Wir passen hier einfach nicht mehr rein.“

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Gentrifizierung bedroht die bisherige Bewohnerschaft

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Auf dem Plan sind Immobilien eingezeichnet, die BNP Paribas vor kurzem gekauft hat | Foto: CKI

Die Veränderungen im Jungbusch lassen sich schon seit einigen Jahren beobachten. Mit Ansiedelung der Popakademie vor 13 Jahren begannen die als Gentrifizierung bezeichneten Prozesse. Bereits damals warnten linke Gruppen davor, dass dies zur Vertreibung der angestammten Bewohnerschaft führen werde. Doch die Stadt und allen voran das Quartiersbüro warben für die Vorteile eines modernen, schicken Jungbusch als Kreativwirtschaftszentrum und Ausgehviertel. Die großen Gewinner sind jedoch Banken und Immobilienfirmen. Nach Recherchen von WGDS hat die Immobiliensparte der französischen Geschäftsbank BNP Paribas in der jüngeren Vergangenheit mindestens 12 Häuser im Jungbusch gekauft. Welche Ziele verfolgt werden ist klar: Maximaler Profit durch Entmietung, Sanierung und anschließend Neuvermietung mit massiver Erhöhung der Miete. Kaltmietpreise über 12 Euro seien keine Seltenheit mehr im Jungbusch, der einst als günstiger Stadtteil für Studierende und arme Leute galt.

Widerstand und Aktionsmöglichkeiten

„Ein riesiger Immobilienfond wie BNP Paribas – was soll man gegen die schon ausrichten können“ resigniert eine Teilnehmerin des Treffens. Daraufhin entwickelt sich eine Diskussion um Aktionsmöglichkeiten, Wirksamkeit und Ziele. Es sei zuerst einmal wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Geschäfte für BNP Paribas wickelt in Mannheim die Immobilienfirma Hildebrandt & Hees GmbH ab. „Wir müssen die unmenschlichen Geschäftspraktiken und vor allem die Folgen, die sie für die Menschen haben, öffentlich machen“, lautet ein Vorschlag, der viel Zustimmung findet. Weiter gibt es Ideen Stadtteilspaziergänge zu machen, Plakate zu kleben, Unterstützung für betroffene MieterInnen zu leisten, die Akteure und Betroffenen im Stadtteil zu vernetzen, eine Demo zu organisieren und vieles mehr. Vertreter der Linken, die ebenfalls am Treffen teilnahmen, boten an, das Thema in den Stadtrat zu tragen. Der Vorschlag, das Quartiersmanagement ins Boot zu holen wird von vielen abgelehnt. „Der Herr Scheuermann hat eine solche Aufwertung doch immer begrüßt und in Kauf genommen, dass die einfachen Leute dabei auf der Strecke bleiben“, heißt es zur Begründung.

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Ein Blick in die Beilstraße. Hier hat BNP besonders viele Häuser gekauft | Foto: CKI

Nach zwei Stunden wird vereinbart, dass man sich in drei Wochen wieder trifft. Bis dahin finden sich die Leute in thematisch gegliederten AGs zusammen, bereiten Aktionen vor, überlegen sich Strategien, um die Öffentlichkeit zu informieren und treiben die Vernetzung im Stadtteil voran. Das Café „Batia“ versucht solange auf juristischen Weg gegen die Kündigung vorzugehen. Demnächst steht ein Gerichtstermin an. Beim „Kardeş“ haben sie schon über 400 Unterstützerunterschriften gesammelt. Unterschrieben haben Alteingesessene, aber auch junge Studierende, die es schätzen, dass es noch Läden im Stadtteil gibt, wo man abends ein Bier für 1,30 Euro trinken kann, ohne Dresscode und ohne Türsteher.


Dieser Artikel erschien zuerst bei Kommunalinfo Mannheim.

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