Am 11. Januar fand das erste Offene Stadtteiltreffen Neckarstadt in 2019 statt. Zeit für einen Rückblick auf das vergangene Jahr und einen Ausblick.
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Ins Leben gerufen wurde die monatlich im Bürgerhaus stattfindende Veranstaltung im Sommer 2018, als deutlich wurde, dass die Teuerung von Mieten in vormals erschwinglichen, zentrumsnahen Stadtteilen begann, vom Jungbusch auf die Neckarstadt überzugreifen. Nach mehr als einem halben Jahr Aktivität, bietet der Jahreswechsel eine gute Gelegenheit für einen Überblick über die bisherige Arbeit des Treffens, sowie dessen Kontext und Hintergründe.
Zweifelhafter Partner der Mannheimer Wohnungspolitik
Um zu verstehen, was das Stadtteiltreffen ist und wozu es dient, ist es sinnvoll ins Jahr 2017 zurückzugehen. Damals spitzten sich Konflikte um die bereits einige Jahre andauernde Teuerung des Wohnraums im Jungbusch zu. Unmittelbarer Auslöser für viele Proteste von Anwohnern war das Agieren der Immobilienfirma Hildebrandt & Hees, welche bis 2017 in kürzester Zeit mehr als zwanzig Häuser im Jungbusch gekauft hatte. Abgesehen davon, dass bereits eine unverhältnismäßig hohe Präsenz einer einzigen Immobilienfirma in einem kleinen Stadtteil wie dem Jungbusch Anlass zur Besorgnis bietet, befanden viele Einwohner*innen und Aktivist*innen die Methoden der Firma im Umgang mit Mietern für skandalös. Deshalb ist Hildebrandt & Hees seit 2017 zu einer Art Symbol des Strukturwandels in den Mannheimer Innenstadtbezirken geworden, der sich auf Kosten ärmerer Einwohner*innen vollzieht. Dabei muss jedoch betont werden, dass es sich dabei nur um den sichtbarsten Akteur in einer komplexen Situation handelt, welche auch auf Mängel in der Mannheimer Wohnpolitik zurückzuführen ist.
Die Neckarstadt-West als Spekulationsgebiet
Aus diesen Gründen schellten bei den Aktivistinnen und Aktivisten des stadtpolitischen Bündnisses „Wem gehört die Stadt?“ (WGDS), sowie der Initiative FairMieten alle Alarmglocken, als bekannt wurde, dass Hildebrandt & Hees seine Aktivitäten nun auch auf die Neckarstadt ausweitet. Dabei waren vor allem Häuser in der Neckarstadt-West betroffen, ein Stadtteil, der aufgrund seiner bisher verhältnismäßig niedrigen Durchschnittsmieten hohe Profitaussichten für Immobilienspekulanten bietet. Eine Situation, die in der Fachliteratur als Rent-Gap bezeichnet wird. Aber auch in der Neckarstadt-Ost sind inzwischen einige Häuser betroffen.
Widerstand aus dem Stadtteil
In Reaktion auf diese Entwicklungen fand im Juni 2018 das erste Stadtteiltreffen statt. Man orientierte sich dabei an dieser bereits im Jungbusch erprobten Praxis, die Einwohner*innen und Aktivisten*innen zusammenführt, um eine Anlaufstelle für Betroffene zu schaffen und Aktionen auf deren Bedürfnisse abzustimmen.
Im Einladungstext des Treffens heißt es, es richte sich an Einwohner*innen, die von Häuserkäufen betroffen seien, aber auch an Interessierte, welche die politische Situation rund ums Wohnen in ihrem Quartier verfolgen möchten.
Informationen sammeln und einen Überblick schaffen
In der Funktion einer Sammelstelle für Informationen rund um die Wohnsituation im Quartier, sowie die dazugehörigen politischen Akteur*innen und Entscheidungsprozesse, war das Treffen bisher besonders erfolgreich. Neuigkeiten und Informationen, die sonst verstreut oder unzugänglich bleiben, wurden hier zusammengeführt, diskutiert und gemeinsam einsteigerfreundlich aufbereitet.
Inoffizieller „Mietnotruf“ als erste Hilfe
Mit Hilfe der E-Mail-Adresse mietnotruf@web.de, welche Einwohner*innen nutzen können, um jüngst verkaufte Häuser zu melden, konnte zudem eine fortlaufend aktualisierte Karte erstellt werden, auf welcher die Hausverkäufe eingetragen werden. Somit wird einen dringend nötiger Überblick über die Entwicklung des Wohnmarktes im Quartier ermöglicht. Zudem werden im Rahmen des Treffens in kondensierter Form Beschlüsse aus verschiedenen Mannheimer Gremien wiedergegeben und diskutiert, so etwa Beschlüsse und Pläne des Gemeinderats und Aktivitäten aus der Konversion entstandene städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP und der Stadtentwicklung.
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Chancen und Risiken des Sanierungsgebiets Neckarstadt-West
In diesem Zusammenhang hielt etwa Bezirksbeirat Roland Schuster einen Vortrag über die Chancen und Risiken des Sanierungsgebiets, zu welchem Teile der Neckarstadt-West im Laufe des letzten Jahres erklärt wurden. Es handelt sich dabei um ein politisches Instrument, das der Stadt das Erstkaufrecht auf dem Wohnungsmarkt einräumt, aber auch Hauseigentümer*innen Steuervorteile bei der Sanierung ihrer Immobilien bietet. Ob das Sanierungsgebiet sich also zum Vor- oder Nachteil der Bewohner*innen des Stadtteils auswirkt, hängt maßgeblich davon ab, wie offensiv die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Hier hat es sich das Stadtteiltreffen zur Aufgabe gemacht, von Seiten der Einwohnerschaft druck auf die politischen Verantwortlichen auszuüben, dies besonders im Hinblick auf die Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres.
Erfahrungsaustausch und Tipps
Neben dieser Funktion als Vermittlungsinstanz zwischen dem oft intransparenten politischen Geschehen und den Einwohner*innen, bot das Treffen 2018 viele Möglichkeiten für einzelne Betroffene, ihren jeweiligen Fall ausführlich zu diskutieren und Möglichkeiten des Widerstands gegen willkürliche Maßnahmen von Vermieter*innen mit anderen Betroffenen zu besprechen. Ziel ist es, sich in der Gruppe gegenseitig zu stärken, Erfahrungen und Handlungstipps auszutauschen und somit Solidaritätsstrukturen zu etablieren, welche in Zukunft als Grundlage eines breiten Widerstands gegen drohende Verdrängung dienen können.
Mobilisierung läuft schleppend an
Die Teilnehmer*innen des Treffens am 14. Januar waren sich einig darüber, dass das Stadtteiltreffen in Zeiten des Umbruchs im Stadtteil eine wichtige Funktion erfüllt, jedoch wurde auch deutlich, dass es noch Verbesserungsbedarf auf dem Weg zu konkreten Aktionen gibt. Bisher – so der Tenor – hat es sich als schwierig erwiesen, einzelne Teilnehmer*innen über einen längeren Zeitraum für die Vorbereitung und Durchführung von Protestaktionen zu gewinnen.
Es besteht der Eindruck, dass das Stadtteiltreffen sich derzeit in einer Findungsphase befindet. Die Gründung des Treffens spielte sich noch unter dem Eindruck der Ereignisse im Jungbusch 2017 ab. Dort war das Stadtteiltreffen ein wichtiger Faktor bei der Organisation des zum Teil erfolgreichen und öffentlichkeitswirksamen Protests der Einwohner*innen. Auch bei der Hausbesetzung in der Hafestraße 66 spielten Impulse aus dem dortigen Stadtteiltreffenen eine wichtige rolle. In Folge der Besetzung entsteht aktuell ein Haus mit Mietwohnungen zu erschwinglichen Quadratmeterpreisen.
Langfristige Motivation ist gefragt
Das Stadtteiltreffen im Jungbusch, und dessen Erfolge waren stark durch das Bündnis WGDS geprägt, welches sich an der bundesweiten Bewegung Recht auf Stadt orientiert, und einen aktionsorientierten Ansatz verfolgt. Die Nachteile dieses Ansatzes sind im Jungbusch aktuell sichtbar. Wenn sich Aktivist*innen aus dem Tagesgeschäft zurückziehen, droht der Protest „einzuschlafen“. Von großer Wichtigkeit ist es also, dass Strukturen geschaffen werden, die auch nach dem Abflauen spektakulärer Einzelaktionen weiterhin erhalten bleiben. Teilweise scheint dieses Anliegen in der Neckarstadt gelungen zu sein. Es hat sich eine langfristig motivierte Kerngruppe herausgebildet, die nicht davor zurückscheut den „langen Atem“ aufzubringen, der für nachhaltige politische Arbeit nötig ist.
Spagat zwischen dem großen Ganzen und Hilfe im Einzelfall
Was fehlt, ist aber noch der dynamischer Faktor, der es dem Treffen ermöglicht, schnell und öffentlichkeitswirksam auf aktuelles Geschehen zu reagieren.
Das Thema Gentrifizierung, also der intensive Aufkauf von Wohnraum durch Investoren und die darauf folgende Verdrängung von Einwohnern, ist eines der brisantesten politischen Probleme dieses Jahrzehnts. Fest steht also, dass ein Format wie das Stadtteiltreffen in seiner Ausrichtung aktueller kaum sein könnte. Gleichzeitig kann das schiere Ausmaß des Problemfelds aber auch hemmend auf die Motivation und das Handlungspotential lokaler Gruppen wirken, welche auf einer Mikroebene mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben. Es ist also zu wünschen, dass die Gruppe rund um das Stadtteiltreffen weiter wächst, und dass ein Gleichgewicht zwischen motivierenden und öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf der einen und dem langfristigen Netzwerken von Betroffenen auf der anderen Seite gefunden wird. Nur so kann die vielfältige Bevölkerungszusammensetzung der Neckarstadt auch in Zeiten einer bundesweiten Gentrifizierungswelle erhalten bleiben.
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Am 11. Januar fand das erste Offene Stadtteiltreffen Neckarstadt in 2019 statt. Zeit für einen Rückblick auf das vergangene Jahr und einen Ausblick.
Ins Leben gerufen wurde die monatlich im Bürgerhaus stattfindende Veranstaltung im Sommer 2018, als deutlich wurde, dass die Teuerung von Mieten in vormals erschwinglichen, zentrumsnahen Stadtteilen begann, vom Jungbusch auf die Neckarstadt überzugreifen. Nach mehr als einem halben Jahr Aktivität, bietet der Jahreswechsel eine gute Gelegenheit für einen Überblick über die bisherige Arbeit des Treffens, sowie dessen Kontext und Hintergründe.
Zweifelhafter Partner der Mannheimer Wohnungspolitik
Um zu verstehen, was das Stadtteiltreffen ist und wozu es dient, ist es sinnvoll ins Jahr 2017 zurückzugehen. Damals spitzten sich Konflikte um die bereits einige Jahre andauernde Teuerung des Wohnraums im Jungbusch zu. Unmittelbarer Auslöser für viele Proteste von Anwohnern war das Agieren der Immobilienfirma Hildebrandt & Hees, welche bis 2017 in kürzester Zeit mehr als zwanzig Häuser im Jungbusch gekauft hatte. Abgesehen davon, dass bereits eine unverhältnismäßig hohe Präsenz einer einzigen Immobilienfirma in einem kleinen Stadtteil wie dem Jungbusch Anlass zur Besorgnis bietet, befanden viele Einwohner*innen und Aktivist*innen die Methoden der Firma im Umgang mit Mietern für skandalös. Deshalb ist Hildebrandt & Hees seit 2017 zu einer Art Symbol des Strukturwandels in den Mannheimer Innenstadtbezirken geworden, der sich auf Kosten ärmerer Einwohner*innen vollzieht. Dabei muss jedoch betont werden, dass es sich dabei nur um den sichtbarsten Akteur in einer komplexen Situation handelt, welche auch auf Mängel in der Mannheimer Wohnpolitik zurückzuführen ist.
Die Neckarstadt-West als Spekulationsgebiet
Aus diesen Gründen schellten bei den Aktivistinnen und Aktivisten des stadtpolitischen Bündnisses „Wem gehört die Stadt?“ (WGDS), sowie der Initiative FairMieten alle Alarmglocken, als bekannt wurde, dass Hildebrandt & Hees seine Aktivitäten nun auch auf die Neckarstadt ausweitet. Dabei waren vor allem Häuser in der Neckarstadt-West betroffen, ein Stadtteil, der aufgrund seiner bisher verhältnismäßig niedrigen Durchschnittsmieten hohe Profitaussichten für Immobilienspekulanten bietet. Eine Situation, die in der Fachliteratur als Rent-Gap bezeichnet wird. Aber auch in der Neckarstadt-Ost sind inzwischen einige Häuser betroffen.
Widerstand aus dem Stadtteil
In Reaktion auf diese Entwicklungen fand im Juni 2018 das erste Stadtteiltreffen statt. Man orientierte sich dabei an dieser bereits im Jungbusch erprobten Praxis, die Einwohner*innen und Aktivisten*innen zusammenführt, um eine Anlaufstelle für Betroffene zu schaffen und Aktionen auf deren Bedürfnisse abzustimmen.
Im Einladungstext des Treffens heißt es, es richte sich an Einwohner*innen, die von Häuserkäufen betroffen seien, aber auch an Interessierte, welche die politische Situation rund ums Wohnen in ihrem Quartier verfolgen möchten.
Informationen sammeln und einen Überblick schaffen
In der Funktion einer Sammelstelle für Informationen rund um die Wohnsituation im Quartier, sowie die dazugehörigen politischen Akteur*innen und Entscheidungsprozesse, war das Treffen bisher besonders erfolgreich. Neuigkeiten und Informationen, die sonst verstreut oder unzugänglich bleiben, wurden hier zusammengeführt, diskutiert und gemeinsam einsteigerfreundlich aufbereitet.
Inoffizieller „Mietnotruf“ als erste Hilfe
Mit Hilfe der E-Mail-Adresse mietnotruf@web.de, welche Einwohner*innen nutzen können, um jüngst verkaufte Häuser zu melden, konnte zudem eine fortlaufend aktualisierte Karte erstellt werden, auf welcher die Hausverkäufe eingetragen werden. Somit wird einen dringend nötiger Überblick über die Entwicklung des Wohnmarktes im Quartier ermöglicht. Zudem werden im Rahmen des Treffens in kondensierter Form Beschlüsse aus verschiedenen Mannheimer Gremien wiedergegeben und diskutiert, so etwa Beschlüsse und Pläne des Gemeinderats und Aktivitäten aus der Konversion entstandene städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP und der Stadtentwicklung.
Chancen und Risiken des Sanierungsgebiets Neckarstadt-West
In diesem Zusammenhang hielt etwa Bezirksbeirat Roland Schuster einen Vortrag über die Chancen und Risiken des Sanierungsgebiets, zu welchem Teile der Neckarstadt-West im Laufe des letzten Jahres erklärt wurden. Es handelt sich dabei um ein politisches Instrument, das der Stadt das Erstkaufrecht auf dem Wohnungsmarkt einräumt, aber auch Hauseigentümer*innen Steuervorteile bei der Sanierung ihrer Immobilien bietet. Ob das Sanierungsgebiet sich also zum Vor- oder Nachteil der Bewohner*innen des Stadtteils auswirkt, hängt maßgeblich davon ab, wie offensiv die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Hier hat es sich das Stadtteiltreffen zur Aufgabe gemacht, von Seiten der Einwohnerschaft druck auf die politischen Verantwortlichen auszuüben, dies besonders im Hinblick auf die Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres.
Erfahrungsaustausch und Tipps
Neben dieser Funktion als Vermittlungsinstanz zwischen dem oft intransparenten politischen Geschehen und den Einwohner*innen, bot das Treffen 2018 viele Möglichkeiten für einzelne Betroffene, ihren jeweiligen Fall ausführlich zu diskutieren und Möglichkeiten des Widerstands gegen willkürliche Maßnahmen von Vermieter*innen mit anderen Betroffenen zu besprechen. Ziel ist es, sich in der Gruppe gegenseitig zu stärken, Erfahrungen und Handlungstipps auszutauschen und somit Solidaritätsstrukturen zu etablieren, welche in Zukunft als Grundlage eines breiten Widerstands gegen drohende Verdrängung dienen können.
Mobilisierung läuft schleppend an
Die Teilnehmer*innen des Treffens am 14. Januar waren sich einig darüber, dass das Stadtteiltreffen in Zeiten des Umbruchs im Stadtteil eine wichtige Funktion erfüllt, jedoch wurde auch deutlich, dass es noch Verbesserungsbedarf auf dem Weg zu konkreten Aktionen gibt. Bisher – so der Tenor – hat es sich als schwierig erwiesen, einzelne Teilnehmer*innen über einen längeren Zeitraum für die Vorbereitung und Durchführung von Protestaktionen zu gewinnen.
Es besteht der Eindruck, dass das Stadtteiltreffen sich derzeit in einer Findungsphase befindet. Die Gründung des Treffens spielte sich noch unter dem Eindruck der Ereignisse im Jungbusch 2017 ab. Dort war das Stadtteiltreffen ein wichtiger Faktor bei der Organisation des zum Teil erfolgreichen und öffentlichkeitswirksamen Protests der Einwohner*innen. Auch bei der Hausbesetzung in der Hafestraße 66 spielten Impulse aus dem dortigen Stadtteiltreffenen eine wichtige rolle. In Folge der Besetzung entsteht aktuell ein Haus mit Mietwohnungen zu erschwinglichen Quadratmeterpreisen.
Langfristige Motivation ist gefragt
Das Stadtteiltreffen im Jungbusch, und dessen Erfolge waren stark durch das Bündnis WGDS geprägt, welches sich an der bundesweiten Bewegung Recht auf Stadt orientiert, und einen aktionsorientierten Ansatz verfolgt. Die Nachteile dieses Ansatzes sind im Jungbusch aktuell sichtbar. Wenn sich Aktivist*innen aus dem Tagesgeschäft zurückziehen, droht der Protest „einzuschlafen“. Von großer Wichtigkeit ist es also, dass Strukturen geschaffen werden, die auch nach dem Abflauen spektakulärer Einzelaktionen weiterhin erhalten bleiben. Teilweise scheint dieses Anliegen in der Neckarstadt gelungen zu sein. Es hat sich eine langfristig motivierte Kerngruppe herausgebildet, die nicht davor zurückscheut den „langen Atem“ aufzubringen, der für nachhaltige politische Arbeit nötig ist.
Spagat zwischen dem großen Ganzen und Hilfe im Einzelfall
Was fehlt, ist aber noch der dynamischer Faktor, der es dem Treffen ermöglicht, schnell und öffentlichkeitswirksam auf aktuelles Geschehen zu reagieren.
Das Thema Gentrifizierung, also der intensive Aufkauf von Wohnraum durch Investoren und die darauf folgende Verdrängung von Einwohnern, ist eines der brisantesten politischen Probleme dieses Jahrzehnts. Fest steht also, dass ein Format wie das Stadtteiltreffen in seiner Ausrichtung aktueller kaum sein könnte. Gleichzeitig kann das schiere Ausmaß des Problemfelds aber auch hemmend auf die Motivation und das Handlungspotential lokaler Gruppen wirken, welche auf einer Mikroebene mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben. Es ist also zu wünschen, dass die Gruppe rund um das Stadtteiltreffen weiter wächst, und dass ein Gleichgewicht zwischen motivierenden und öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf der einen und dem langfristigen Netzwerken von Betroffenen auf der anderen Seite gefunden wird. Nur so kann die vielfältige Bevölkerungszusammensetzung der Neckarstadt auch in Zeiten einer bundesweiten Gentrifizierungswelle erhalten bleiben.
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