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Gemeinderatswahl 2019: Die Neckarstädter Kandidat*innen der Linken

Aus der Neckarstadt treten für die Linke insgesamt 14 Kandidat*innen bei der Kommunalwahl an. Ihnen haben wir einige Fragen geschickt, damit ihr euch einen Eindruck zu den einzelnen Kandidat*innen machen könnt.

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Ziel der Fragen war es, Meinungen und auch den Wissensstand der einzelnen Kandidat*innen jenseits von Wahlprogrammen und Parteilinien abzufragen, um dadurch ein qualifiziertes Kumulieren und Panaschieren möglich zu machen. Einige Parteien haben es trotzdem vorgezogen, einheitlich als Partei zu antworten, andere ließen ihre Kandidat*innen selbst antworten.

Die Kandidat*innen der Linken aus der Neckarstadt sind Thomas Trüper, Dennis Ulas, Roland Schuster, Cinzia Fenoglio, Sevinc Sönmez, Teresa Curcio, Lara-Sofie Göbel, Johannes de Gilde, Jonas Brosig, Reiner Schindler, Leonard Bek, Moritz Lange, Paul Eckert und Reinhold Gebhardt | Foto: Linke Mannheim

1. Welche (akuten) Aufgaben möchten Sie – wenn Sie in den Gemeinderat gewählt werden – in den nächsten fünf Jahren in Mannheim und insbesondere in der Neckarstadt angehen?

Besonders dringlich ist die Sicherung und die Schaffung von preiswertem Wohnraum, der Ausbau der Ganztagskinderbetreuung und die weitere Förderung umweltfreundlicher Mobilität.

Die Baufelder 4 und 5 aus der Sicht der Wohnprojekte auf Turley (Archivbild 2016) | Foto: M. Schülke

In der Neckarstadt als zentral gelegenen und stark verdichteten Stadtteil sind all diese Themen von großer Bedeutung. Die Mietpreise sind in der Neckarstadt in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich stark gestiegen – trotz Neubauaktivitäten z.B. im Centro Verde oder auf Turley. Das heißt, dass Bauen allein einen Mietpreisanstieg nicht verhindert. Die Stadt bzw. GBG sollen in den Wohnungsmarkt eingreifen und so einerseits preiswerten Wohnraum sichern und andererseits auch im Neubaubereich bezahlbaren Wohnraum realisieren. Auf Turley müssen sich Stadt und MWSP dafür einsetzen, den entstandenen Schaden zu begrenzen und auch dort preiswerten Wohnraum herstellen zu lassen, bspw. über eine nachträglich beschlossene Sozialquote.
Die Versorgung mit Kita-Plätzen in der Neckarstadt ist nicht ausreichend – der Bedarf ist deutlich höher als das Angebot. Da die Bevölkerungszahl und auch die Zahl der Kinder in der Neckarstadt in den nächsten Jahren weiter steigen wird, ist hier ein Ausbau dringend erforderlich.
Während viele in der Neckarstadt über zu wenige Parkplätze klagen, verfolgen wir einen anderen Ansatz: Es gibt zu viele Autos. Selbst tagsüber sind die Straßen voller Autos – ein Teil dieser Fahrzeuge wird zwar Berufstätigen gehören, die in der näheren Umgebung arbeiten. Die meisten Fahrzeuge jedoch stehen permanent herum. Mit einem besser ausgebauten und mittelfristig kostenfreien ÖPNV, mit einer besseren Fahrradinfrastruktur und v.a. einer Ausweitung des CarSharing-Netzes wollen wir den Pkw-Bestand und den Autoverkehr in der Neckarstadt und in ganz Mannheim reduzieren.

2. Wie schätzen Sie die Chancen und die Schwierigkeiten des seit 2016 in Gang gesetzten Prozesses der Wiederbelebung der Multihalle ein?

Die Multihalle im Herzogenriedpark | Foto: M. Schülke

Die Multihalle hat in den vergangenen Jahren zunehmend wieder die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdient: Dieses einzigartige Baudenkmal muss aus seinem Dornröschenschlaf geholt werden. Die Chancen hierfür stehen derzeit gut, da nicht nur international Gelder für die Sanierung gesammelt werden, sondern auch der Bund einen Teil der Kosten tragen wird. Verschiedene Workshops und Wettbewerbe zur Nutzung der Multihalle haben interessante Ideen hervorgebracht. Wir unterstützen die Sanierung und Neukonzeption der Multihalle und hoffen auf eine künftig festere Verankerung in der Neckarstädter Bevölkerung.

3. Wie wollen Sie – im Vergleich zu den von der Stadtpark gGmbH vorgelegten Plänen – die zukünftige Nutzung des Herzogenriedparks gestalten?

Der Herzogenriedpark als Relikt der erfolgreichen Buga 1975 muss sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung vor Ort orientieren. Während der Luisenpark eine Attraktion für Menschen aus weiterer Umgebung darstellt, ist der Herzogenriedpark ein überwiegend von Neckarstädter*innen genutzte Grünanlage. Daher muss die Bevölkerung intensiv bei der Sanierung des Parks eingebunden werden, insbesondere auch Kinder und Jugendliche.

4. Mit welchen konkreten Maßnahmen möchten Sie die akute Parkplatznot (in der Neckarstadt) beheben und wie den ÖPNV und das Radwegenetz weiterentwickeln?

Wie bereits weiter oben erwähnt vertreten wir die Auffassung, dass es zu viele Autos gibt. Der öffentliche Raum ist begrenzt und wird bereits jetzt viel zu sehr von parkenden Autos beansprucht. Der Bau einer Quartierstiefgarage oder einer Parkpalette in der Neckarstadt-Ost könnte Abhilfe schaffen. Jedoch wird mit jeder weiteren Parkmöglichkeit die Nutzung des eigenen Autos wieder attraktiver. Stattdessen sollten vorhandene Parkflächen besser genutzt und ausgewiesen werden, z.B. das Parkhaus Neckarpromenade. Anwohnerparken in der Neckarstadt könnte ebenfalls zu einer leichten Entspannung der Parksituation führen. Die Ausweitung des Carsharing-Netzes mit weiteren Stationen und Fahrzeugen könnte viele Menschen dazu bewegen, auf den eigenen Pkw zu verzichten.
Beim ÖPNV muss der Takt der Stadtbahn- und Buslinien verdichtet werden, sowohl tagsüber als auch in den Abendstunden. Für die Feinerschließung wäre eine weitere Buslinie innerhalb der Neckarstadt denkbar, die bspw. das Herzogenriedbad, wo das künftige Kombibad entstehen soll, anbindet. Die Fahrradinfrastruktur muss ebenfalls verbessert werden. Erste Maßnahmen sind bereits erfolgt, z.B. die Öffnung von Einbahnstraßen oder die Installation von Fahrradbügeln. Es werden jedoch noch zahlreiche weitere Fahrradbügel benötigt, ebenso wie Fahrradstraßen, sichere Radwege und fahrradfreundliche Straßenquerungen bzw. Ampelschaltungen.

5. Welche Maßnahmen planen Sie für die weitere Beaufsichtigung und Entwicklung der Konversionsflächen auf Turley?

Unter dem Turleyplatz soll noch eine Tiefgarage entstehen (Archivbild) | Foto: M. Schülke

Ein zentrales Problem ist der nun schon jahrelange Verzug der Tiefgarage unter dem Turley-Platz. Hier müssen alle rechtlichen Möglichkeiten gegenüber der verpflichteten Tom Bock Group genutzt werden. Auf den Baufeldern IV und V, die der bisherige Investor im vergangenen Jahr weiterverkauft hat, besteht die Chance, im Zusammenhang mit vom neuen Investor gewünschten geringfügigen Änderungen des B-Plans zu einigen preiswerten Wohnungen im Rahmen der Sozialquote zu gelangen. Der Investor hat sich hierfür offen gezeigt. Das Baufeld „homerun“ läuft planmäßig, generiert aber nur Teure Wohnungen.

6. Wer sollte auf dem verbliebenen Baufeld den Zuschlag bekommen?

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Es war ein Fehler, die Grundstücke an Privatinvestoren zu verkaufen. Die Folgen werden die künftigen Bewohner*innen mit überhöhten Mietpreisen zahlen.
Idealerweise sollten gemeinnützige und nicht-profitorientierte Bauträger den Zuschlag für das verbliebene Baufeld erhalten. Ein gutes Beispiel sind die bereits fertiggestellten Gebäude der drei Wohngruppen auf Turley, die gemeinschaftlich gebaut haben und Mieten zu moderaten Preisen anbieten können. Eine gemeinwohlorientierte Vergabe hat die MWSP inzwischen zugesagt.

7. Halten Sie die Einrichtung und Zwecksetzung der Überwachungsanlage am Alten Messplatz für gerechtfertigt? Warum (nicht)? Welche Alternativen sehen Sie?

Protest gegen die Videoüberwachung | Foto: CKI

Wir lehnen die sogenannte intelligente Videoüberwachung am Alten Messplatz ab. Als gut einsehbarer öffentlicher Platz mit sozialer Kontrolle handelt es sich beim Alten Messplatz nicht um einen Angstraum. Die Zahl der Straftaten ist nach einem Höhepunkt 2015 in den darauffolgenden Jahren wieder kontinuerlich zurückgegangen. Ein großer Teil der Delikte fällt in die Kategorie Straßenkriminalität, etwa zwei Drittel der Delikte in den vergangenen Jahren waren Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz – also der Konsum oder das Handeln von illegalen Drogen, i.d.R. Cannabis. Die intelligente Videoüberwachung soll in den nächsten Jahren auffällige Verhaltensweisen, die auf eine Straftat hinweisen, algorithmusbasiert erlernen, selbstständig erkennen können und dann Alarm auslösen, damit eine Polizeistreife vor Ort geschickt wird. Nun ist aber anzuzweifeln, ob dieses System jemals so funktionieren wird. Weiterhin können die o.g. Straftaten, was den größten Anteil aller Delikte im Bereich des Alten Messplatzes ausmacht, von diesem System ohnehin nicht erkannt werden. Wir sind daher der Auffassung, dass der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Menschen in absolut keinem Verhältnis zum Nutzen der Videoüberwachung steht. Sinnvoller wäre die Präsenz von Polizei oder Ordnungsdienst vor Ort, die auch im Falle einer Straftat direkt eingreifen könnten. Letztendlich muss aber die Prävention ausgeweitet werden, damit es gar nicht erst zu Straftaten kommt: Diese beginnt bereits in der Schule mit Schulsozialarbeit, Streetworkern oder einem Zugang zu Bildung und guter Arbeit.

8. Wie kann Ihrer Meinung nach gewährleistet werden, dass auch finanziell schlechter gestellte Mannheimer Bürger*innen einen gerechten Zugang zu amtlichen Informationen erhalten? Sollten bestimmte Gruppen (bspw. Transferleistungsempfänger*innen, Rentner*innen, Journalist*innen, Bürgerinitiativen, -vereine) dazu in der Gebührenordnung besonders berücksichtigt werden? 

Der Zugang zu amtlichen öffentlichen Informationen muss grundsätzlich kostenfrei sein. Für Menschen, die diese nicht online beziehen können, müssen diese in gedruckter Version angeboten werden. Dabei sollte es keinen Unterschied geben, wer Empfänger*in der gewünschten Information ist.

9. Welche Fehler sind aus Ihrer Sicht beim Verkauf von Bauflächen auf dem Turley Areal und im Umgang mit Investoren gemacht worden?

Parkende Autos am Turleyplatz (Archivbild) | Foto: M. Schülke

Es war eine grundlegende politische Fehlentscheidung der politischen Mehrheit, der Stadt Mannheim selbst die Hände beim Erwerb der Flächen zu binden (Nettoneuverschuldungsverbnot) und die MWSP lediglich als Projektentwicklungs- und nicht als Investitionsgesellschaft und Wohnungsbauunternehmen zu beauftragen und mit entsprechenden Finanzmittel auszustatten (ganz davon abgesehen, dass am Anfang aller „Fehler“ der Bund mit seiner BImA stand und steht). Die Stadt hatte auf den Konversionsgeländen erhebliches Tempo vorgelegt. Turley stand schon 5 Jahre leer, bevor die Stadt die Initiative ergriff. Das entsprach auch den Erwartungen der Bevölkerung. Die damalige Investorensuche ist von den Rahmenbedingungen her nicht mit der heutigen Situation zu vergleichen. Die viel zitierte Wertschöpfungsklausel hätte zwar u.U. Geld für die MWSP gebracht, jedoch das Grundproblem der „Wertsteigerung“ und der folgenden Wohnpreissteigerung nicht verhindert. Außerdem hätte auch das nicht das grundlegende Problem gelöst: Nämlich dass die Stadt nicht mehr die vollständige Kontrolle über die Entwicklung des Geländes hat. Der Baufortschritt auf Turley ist in den letzten zwei Jahren nahezu zum Erliegen gekommen, die Tiefgarage ist noch immer nicht gebaut und preiswerter Wohnraum wird voraussichtlich nur noch auf dem kleinen Baufeld an der Fritz-Salm-Straße geschaffen werden.

10. Sind für den Gemeinderat und die Öffentlichkeit die Stadtentwicklungsprozesse unter Federführung der (kommunalen, aber privatrechtlich organisierten) MWSP ausreichend transparent? Wie kann mehr Transparenz hergestellt werden?

Die Federführung durch die privatrechtliche MWSP hat der Gemeinderat in seiner damaligen Konstellation mehrheitlich so gewollt. Die schlagartig sich stellende Aufgabe der Beplanung von 510 ha Ex-Militärgelände hätte den ehrenamtlich arbeitenden Gemeinderat auch komplett überfordert. Die wesentlichen Schritte der Stadtentwicklung (welche der Vergabe an Investoren vorgelagert sind) sind in vielen öffentlichen Veranstaltungen diskutiert und vom Gemeinderat, u.a. in Gestalt der umfangreichen Bebauungspläne so beschlossen worden. Alle Unterlagen hierzu sind im Internet hinterlegt und öffentlich einsehbar, einschließlich der städtebaulichen Verträge mit den Investoren. Die Detailtiefe, mit der sich die Mitglieder des Gemeinderats wie auch „die Öffentlichkeit“ in die Materie einarbeiten und dann streiten können, ist naturbedingt begrenzt. Sehr viel Mühe hatte sich zu Anfang des Turley-Projekts die Interessentengruppe „In Vielfalt leben“ gemacht. Sie scheiterte jedoch letztlich an ihren finanziellen Möglichkeiten und hätte im Übrigen Vieles für kulturelle, künstlerische und Bildungs-Projekte realisiert, aber für preisgünstigen Wohnungsbau auch kein gangbares Konzept gehabt. Das ist ein grundlegendes Problem der Landeswohnraumförderung.

11. Wie beurteilen Sie den Einbezug der sogenannten Thor-Gruppe, einer privaten Investorengruppe, die in der Neckarstadt-West zahlreiche Immobilien in kurzer Zeit aufgekauft hat, in die Entwicklung (Lokale Stadterneuerung) des Sanierungsgebiets Neckarstadt-West? 

Die Mittelstraße in Neckarstadt-West | Foto: M. Schülke

Ein grundlegendes Problem ist, dass Kommunen kein generelles Vorkaufsrecht bei Grundstücksverkäufen zu Durchschnittspreisen haben, wie es der Präsident des baden-württembergischen Städtetags fordert. Lediglich in Sanierungsgebieten, wie die Neckarstadt-West nun eines ist, gibt es hier Möglichkeiten, allerdings sehr teure. Daher resultiert die Strategie, auf Basis der Drohung mit dem Vorkaufsrecht mit Investoren Abwendungsvereinbarungen zu schließen und sie tendenziell in die Schranken der gewollten Stadtentwicklung zu schieben, was an deren grundsätzlichen Interessen natürlich nichts ändert. Ein bemerkenswertes Projekt dieser Art war die Sicherung der öffentlichen Stadtentwicklungsinteressen auf dem in privater Hand befindlichen ehemaligen GE-Gelände. LOS ist damit nicht vergleichbar und beinhaltet auf der anderen Seite zahlreiche Maßnahmen von Gemeinwesen- und Strukturförderungsarbeit. LOS ist ein konkretes Hier-und-Jetzt-Projekt unter Ausnutzung aller sich bietenden Strohhalme.

12. Was sind Ihre Lösungen für die strukturellen Probleme des Wohnungsmarkts in der Neckarstadt? 

Ein Großteil der Häuser ist noch in Besitz kleiner Privateigentümer. Insbesondere in der Neckarstadt-West ist der Zustand vieler Wohnungen schlecht. Die Ausweisung als Sanierungsgebiet ist eine Maßnahme, um die Eigentümer bei notwendigen Sanierungsmaßnahmen finanziell zu unterstützen. Kritisch wird es, wenn die Häuser von Investoren aufgekauft werden und modernisiert werden: Die Mieten vervielfachen sich, die alteingesessenen Mieter*innen müssen wegziehen. Um dies zu vermeiden, muss ein Informationsnetzwerk über anstehende Immobilienverkäufe aufgebaut werden. Die Stadt oder die GBG kann dann als Erstbietende auftreten. Um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, muss die Stadt auch von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, um preiswerten Wohnraum zu sichern. Die Ausweisung eines Milieuschutzgebietes halten wir ebenfalls für denkbar.

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