Ausgerechnet bei einer Klima-Demo fallen alle Straßenbahnen aus? Unser Kolumnist Karlheinz Paskuda hat sich dazu ein paar Gedanken gemacht und Fragen gestellt.
Ab sofort im Neckarstadtblog.
Habt Ihr Euch auch über den kompletten Ausfall der Straßenbahnen am 20. September anlässlich der „Fridays for Future“-Demo gewundert? Manche mutmaßten gar, die Verkehrsbetriebe wollten dem Anliegen der Demo schaden. Ich habe nachgefragt und von den Verkehrsbetrieben und der Stadt eine Antwort erhalten.
RNV: Ganz oder gar nicht
Umleitungspläne lagen auf dem Tisch
Noch am Tage vor der Demo habe man Umleitungspläne ausgearbeitet, dann aber aufgrund der Berichte aus Heidelberg (hier waren die Demos ja schon vormittags) erfahren, dass man mit wesentlich mehr als den angemeldeten 1500 Teilnehmer*innen rechnen müsse. Die einfachste Lösung: Stecker ziehen, alles abschalten! Aber auch die beste?
Ihr kennt den Spruch vom „Kind mit dem Bade ausschütten“. Mit etwas Nachdenken hätte man natürlich weite Teile auch des Straßenbahnverkehrs aufrecht erhalten können. Die Linie 2 z.B. hätte problemlos zumindest von der Neckarstadt-West über die Schafweide nach Feudenheim fahren können, die Linien 4, 4a und 15 wie bei den Planken-Bauarbeiten über den Ring umgeleitet werden können. Die Linie 1 und 3 dann über den Ring zur anderen Seite, in die Rheinstrasse, dann über den hinteren Teil der Breiten Straße. So kamen potentielle Demonstrant*innen gar nicht, verspätet mit dem Rad oder gar mit dem PKW zur Demo. Nicht Sinn dieser Demo. Einiges hätte die RNV auch mit dem berühmten Schienenersatzverkehr (SEV) abfedern können, den sie sonst so gerne anbietet. Also, in Zukunft in der Schaltzentrale der RNV nachdenken, bevor der Stecker gezogen wird. Kommt besser an…
Behörden drängten auf Route über die Planken
Demonstrationen sind Störungen im Ablauf einer Einkaufsstadt. Vermeintlich notwendig wurden die Einstellungen der Straßenbahnen auch durch die „aufgezwungene“ Demonstrationsroute durch die Planken.
Ein junger Teilnehmer berichtete aus dem Vorgespräch zur Demo:
Ohne die Planken wäre nur der obere Teil der Breiten Straße und kurze Übergänge am Wasserturm und am Hauptbahnhof betroffen gewesen. Für die RNV dann wohl kein Grund zur Stilllegung der Straßenbahnen. Aber wie passiert so etwas? Ich kenne das natürlich gut: Bei den notwendigen Besprechungsterminen zur Demo-Vorbereitung sitzen den zwei bis drei Anmeldenden leicht mal so 15 bis 20 Menschen – teilweise in Uniform – gegenüber: Polizei, Ordnungsamtmitarbeiter*innen, RNV-Vertreter*innen und Repräsentant*innen des Mannheimer Einzelhandels. Ein gerade für Erstanmelder*innen einschüchterndes Szenario. Es wird besprochen, wie die „Störungen“ der Allgemeinheit möglichst gering zu halten seien, nicht etwa, wie die Demonstration möglichst wirkungsvoll sei.
Was tunlichst nicht erwähnt wird: Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut
Es hat im Zweifelsfall Vorrang vor zwei Stunden ungestörtem Einkaufstreiben. Die gewieften und erfahrenen Strategen der Stadt und der Verwaltung wissen das genau. Und so reicht meist ein Hinweis auf den Rechtsanwalt, der notfalls bereit steht, zur Erlangung der notwendigen Route und der Demonstrationsrechte. Hier wäre es einfach zu argumentieren gewesen: Den Klimaschutzzielen der Demonstration entspricht es, den Individualverkehr und nicht den ÖPNV zu behindern. Die Route durch die Fressgasse wäre problemlos einklagbar gewesen. Leider wussten das die jungen Leute wohl nicht. Und natürlich sagte ihnen das dort niemand. Es ist Aufgabe auch der politischen Bildungsarbeit, jungen Leuten den richtigen Stellenwert des Demonstrationsrechtes klarzumachen. Ich habe es früher erlebt, dass Schüler*innen sich gefallen ließen, nur kurz über Planken und Breite Straße demonstrieren zu dürfen, um den Autoverkehr am Ring zu schonen. Das ließen sie sich dann nur einmal gefallen.
Die nächste Kolumne kommt bald. Thema voraussichtlich: Die Mannheimer Parteien und die Wohnungspolitik.