Stadtentwicklung

Das Turley der gebrochenen Versprechen

Die Stadt verkauft Turley gerne als Erfolgsgeschichte. Das sieht unser Kolumnist Karlheinz Paskuda etwas anders. Viel Positives wurde eher trotz statt wegen städtischer Entscheidungen erreicht.

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2012: Hektik im Konversionsbüro. Der Oberbürgermeister hatte vor einigen Monaten einen Mann geholt, der es regeln soll: Dr. Konrad Hummel. Zunächst geht es um die Turley-Kaserne in Neckarstadt-Ost. Da war ein erster Versuch der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), das 13 Hektar große Gelände an einen privaten Investor zu verkaufen, 2007 gescheitert. Deshalb durfte jetzt die Stadt kaufen. Hummel erhielt die Order: Kaufen und schnell wieder verkaufen. Die „Schwarze Null“ war das Ziel, d.h. mindestens die Summe aus Kaufpreis und Erschließungskosten von 22 Millionen Euro  sollte schnell wieder reinkommen. Hummel entschied schnell: 5 Prozent des Geländes sollten an soziale Projekte gehen, bei 95 Prozent ging er auf Nummer sicher. Der Frankfurter Investor Tom Bock, erfahren durch hervorragende Projekte u.a. in Frankfurt, wurde gefunden.

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Dr. Konrad Hummel (links) und der damalige GBG-Geschäftsführer Wolfgang Bielmeier im Vorwort der aus öffentlichen Geldern produzierten „Turley News“. Wenn Turley Mannheims Lokomotive ist, plagt die Stadt seither notorische Verspätung | Bildausschnitt: Turley News

Dr. Hummel und „Mister Konversion“

Hummel wurde Chef der MWSP, einer städtischen Gesellschaft, die selbständig die Konversionsflächen entwickeln sollte, ausgestattet für Turley mit zunächst 2,3 Millionen Euro und damit in der Lage, notwendige Kredite aufzunehmen. Die MWSP konnte und sollte dann die wichtigsten Schritte allein entscheiden.

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Die städtische Projektentwicklungsgesellschaft bejubelt ihre getroffene Entscheidung für Tom Bock als Ankerinvestor. Mittlerweile hat der Frankfurter Gastronom und Weinbauer längst abgelegt, obwohl noch lange kein Land in Sicht ist | Bild: Turley News

Die Bock-Gruppe war für Hummel die Lösung aller Probleme: Tom Bock schwärmte öffentlich über seine Entwicklungsideen des gesamten Geländes. Zentral war der Turleyplatz: Bock bestand auf dem Erhalt der kleinen Straße um diesen Platz. Er beschrieb die nahe Zukunft: Menschen müssen die Gelegenheit haben, mit ihrem Sportwagen erst mal zwei Mal um den Platz kurven zu können, um zu sehen, was los ist in den Restaurants, Eiscafés und übrigen Lokalen, um dann bequem in der Tiefgarage unter dem Platz parken zu können. Am Platz wollte er alle alten Kasernen umbauen zu hochwertigem Wohnraum und „Event Locations“; nur ein Gebäude sollte einen Wohnprojekt (13ha Freiheit) vorbehalten bleiben und das Casino sollte von der Stadt zum Bürgerhaus entwickelt werden. Auf den Baufeldern 3, 4 und 5 plante Bock hochwertigen Wohnraum, den Mannheim ja so dringend zu benötigen schien.

 „Turley befindet sich in guten Händen.“
(Ralf Eisenhauer, 2014 | )

Hummel vergab noch zwei kleine Flächen am Rande an Wohnprojekte, eine Fläche zwischen der alten Siedlung „An der Kaserne“ und „13ha Freiheit“ an ein Inklusionsprojekt, und alles andere an Bock. Dieser lud Erzählungen zufolge Interessent*innen gerne in sein Nobellokal in Frankfurt ein und kredenzte dort den guten Wein aus seinem Weingut in der Toskana. Gedanklich sei er ja eher Weinbauer in der Toskana, meinte er manches mal. Dementsprechend reagierte er allergisch auf kritische Nachfragen, z.B. bei einer denkwürdigen SPD-Veranstaltung im Café des Capitols. Bock wurde dort als Schöngeist geradezu angehimmelt. So einem Macher, der sich in Frankfurt bewährt hatte und eigentlich lieber in der Toskana lebte, musste man einfach blind vertrauen…

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Ausschnitt aus dem Amtsblatt (6. März 2014): SPD-Stadtrat und MWSP-Mitarbeiter Ralf Eisenhauer und Turley-Investor Tom Bock | Quelle: mannheim.de

Zurück in die Gegenwart

Im November 2019 meldet die Bock Baukunst Development GmbH, eine Tochter der Tom-Bock-Gruppe, Insolvenz an. Auswirkungen auf die Entwicklung auf Turley soll dies laut MWSP aber nicht haben (Quelle: MM – hinter der Bezahlschranke).

Dabei hat Tom Bock durchaus gute Geschäfte mit Turley gemacht: Als erstes hat er Neubauten im Bereich der Friedrich-Ebert-Straße zwischen die Turley-Kasernenteile gezwängt und vermutlich profitabel verkauft. Dann hat er die alten Kasernen umgebaut, dort Luxusflats gebaut und verkauft. Einige davon vermieten nun die Käufer und verlangen circa 15 Euro/qm Kaltmiete.

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Als bereits Unmut darüber aufkam, dass Bock nur profitable Teilbereiche „entwickelte“, verkaufte er für mutmaßlich 36 Millionen Euro die Baufelder 4 und 5, die er vor einigen Jahren für 6 Millionen Euro gekauft hatte.

Nicht „entwickelt“ hat Bock das Herzstück von Turley: den lebendigen Turleyplatz mit Restaurants, etc. und die Tiefgarage. Und da der Vertrag mittlerweile von Seiten der MWSP wieder gekündigt ist, wird er diese Leistungen wohl auch nie mehr erbringen. Lachen wird er vermutlich auf seinem Weingut über die gutgläubigen Mannheimer, die ihn ungestört die profitablen Geschäfte machen ließen, keine oder nur unzureichende vertraglichen Abmachungen über den Gesamtprozess trafen und ihn jetzt gehen lassen mussten.

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Die Stadt verkauft Turley gern als Erfolgsgeschichte, doch viel Positives wurde eher trotz der städtischen Entscheidungen erreicht. Mit den Bauarbeiten des dringend benötigten offenen Gemeinschaftshaus im ehemaligen Casino wurde erst nach langen sieben Jahren begonnen | Foto: KHP

Worauf haben die neuen Investoren Bock?

Die Baufelder 4 und 5 sollen jetzt bebaut werden. Von noch fragwürdigeren Investor mit Sitz auf Malta, die ihr Geld mit Sportwetten (Tipico) verdienen (Quelle: MM, hinter der Bezahlschranke). Um durch den neuen Bebauungsplan nun zumindest 50 preiswerte Wohnungen zu erhalten, wird hier eine weitere Verdichtung angestrebt. Erinnern wir uns: Vor fünf Jahren hatte Konrad Hummel die Grünfläche zwischen diesen Baufeldern noch als „Satellit“ zur Bundesgartenschau in die Diskussion gebracht. Dabei ist abzusehen: werden diese Flächen ähnlich eng oder sogar noch dichter bebaut als das Baufeld 3, sind das die Leerstände der Zukunft. Denn hochwertiger Wohnraum entsteht zur Zeit auf vielen Flächen in Mannheim. Auf Turley könnte das Gelände trostlos werden.

Alternativen waren möglich

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Die Projektgruppe entwickelte innerhalb von knapp 10 Tagen ein Konzept für ganz Turley. Im Hintergrund ein Teil dessen, was stattdessen passierte | Fotomontage: Neckarstadtblog

2012 hatte eine engagierte Gruppe von Menschen ein soziales Konzept entwickelt: TURLEY VILLAGE. Der Konversionsbeauftragte Hummel ließ dieser Gruppe nur wenig Zeit; mit Hilfe eines professionellen Projektentwicklers aus Karlsruhe wurde innerhalb von knapp 10 Tagen ein Konzept für ganz Turley entwickelt. Einbezogen wurden Gruppen wie 13ha Freiheit, Umbau e.V. (mittlerweile Umbau2 Turley GmbH) und Majuna; die Gruppe „Miteinander Vielfalt leben“ entwickelte u.a. Pläne für ein Hotel, ein Seminarhaus, für Pädagogik und Inklusion, ein Kinderhaus, ein selbstverwaltetes Studentenwohnheim, ein gemeinschaftliches Mehrgenerationen-Wohnprojekt. Hinter all diesen Plänen standen Menschen, die diese Pläne verwirklichen wollten. Sie plante die Umbauten der alten Kasernen und Neubauten durch eine Wohnungsbaugenossenschaft, durch Baugemeinschaften, u.ä. Sie legte ein umfassendes Finanzierungskonzept vor. TURLEY VILLAGE hätte das Vorzeigeobjekt für alternative Stadtentwicklung werden können. Taktgeberin war Gabriele Pohl und professioneller Entwickler war Rainer Kroll aus Karlsruhe.

Die Gruppe erstellte in Tag- und Nachtarbeit eine 36-seitige Broschüre und übergab diese fristgerecht an Konrad Hummel. Schon bei der Übergabe der Broschüre wurde der Gruppe klar: Sie war chancenlos. Hummel würdigte diese Broschüre kaum eines Blickes. Die Entscheidung zugunsten von Bock war wohl längst gefallen.

Das Ergebnis der Entscheidungen von Hummel ist desaströs: Tristesse statt blühender Landschaften auf Turley.

Konrad Hummel ist mittlerweile im Ruhestand, aber in Mannheim nicht arbeitslos; weiterhin berät er den Oberbürgermeister. Im Jungbusch Sozialwohnungen zu bauen, hält er, für „die schlechteste aller Ideen“ und in der Neckarstadt-West berät er den gesamten Stadtentwicklungsprozess „Lokale Stadterneuerung“. Wir erleben hier unter anderem eine äußerst fragwürdige Zusammenarbeit mit einem Immobilien-Investor, der dort alles aufkauft, was er kriegen kann. Vielleicht solle der Oberbürgermeister mal überprüfen, von wem er sich bei Wohnungsfragen so beraten lässt…


Anm. d. Red.: Die Broschüre TURLEY VILLAGE ist bei Karlheinz Paskuda als PDF erhältlich.

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Belegte im Rahmen des Studiums der Sozialwissenschaften als ein Fach Publizistik. Bis zum 31.08.2016 war er als Sozialpädagoge für die politische Bildungsarbeit im Jugendkulturzentrum forum zuständig. Stellvertretender Vorsitzender des Mannheimer Mietervereins und engagiert in der Wohnungspolitik. Außerdem bei WGDS, SOS Stadtbaum, Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar und bundesweit bei den Kritischen Immobilienaktionär*innen dabei.

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