In seiner aktuellen Kolumne greift unser Autor Karlheinz Paskuda das Thema Turley erneut auf.
Mitte Mai wurde im Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik ein neuer Bebauungsplan für die verbliebenen freien Baufelder auf dem Konversionsgelände beschlossen und der Mannheimer Morgen meldet, dass es doch noch eine Chance für die Tiefgarage unter dem Appellplatz geben könnte. Knapp ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung des Artikels „Das Turley der gebrochenen Versprechen“ gab es also genügend Anlass, sich bei einen Spaziergang über das Gelände bei bestem Sommerwetter vor Ort selbst einen neuen Eindruck zu verschaffen. Was hatte sich seither getan? Wie sieht es da aus? Wie ist die Atmosphäre, was sagen Menschen, die man dort trifft?
Nun, um es vorweg zu sagen: Es hat sich im vorderen Teil (dem Ensemble-Teil mit den alten Kasernen) nichts getan. Der Turleyplatz (Appellplatz) ist teilweise überwuchert, teilweise Parkplatz (steht der Platz nicht wie die Gebäude unter Denkmalschutz?), zum kleinen Teil auch Spielplatz. Den Parkplatz stellt die MWSP netterweise den Bewohner*innen kostenlos zur Verfügung.
Tom Bock, jener Großinvestor, dem jahrelang alle blind vertraut hatten, wollte den Platz ja mit Restaurants, Kneipen, Bars, etc., gestalten und unter den Platz eine große Tiefgarage bauen. Ob, wann und von wem diese Tiefgarage noch gebaut werden sollte, ist noch ungewiss. Gerüchteweise sollte jetzt im Frühjahr damit begonnen werden.
Nur wenige Menschen treffe sich auf dem Gelände. Einen Mann frage ich: „Was ist eigentlich aus der Tiefgarage geworden?“ Er antwortet: „Glauben Sie da noch dran? Ich wohne hier. Aber wir gehen alle davon aus: Das wird nix mehr! Nach Corona schon gar nicht.“ Ein vergammelnder Turleyplatz mit zwei oberirdischen Parkplätzen als Dauerprovisorium?
Auf Fertigstellung keinen Bock mehr?
Ich gehe weiter am Reitstallgebäude vorbei. Es ist seit Jahren eingerüstet. Das sieht nach laufender Arbeit aus. Aber es sieht nur danach aus. Hinter dem Gerüst bröckelt das Gebäude, sind Fenster eingeschlagen, Türen defekt. Die alten großen Werbefahnen von Tom Bock flattern, schon durch die Verwitterung eingerissen, im Wind. Sie propagieren das „Turley Soho“ und wer Soho kennt, freute sich schon auf das pulsierende Leben, auf den lebendigen Ort, auf das Schlendern durch die Lokale rund um den bunten Platz. Jetzt ist alles trist: Das Gebäude verfällt, Arbeiten finden nicht statt. Auch hier: Es sieht aus, als sei der Ort für immer eingeschlafen.
Vorbei geht es an der alten Kapelle. Vor Jahren, als ich da mal drin war, träumte ich von der Ausgestaltung diese Kapelle als meine 1-Zimmer-Luxuswohnung. „Ach nein, die reißt sich sicher jemand mit viel Kohle unter den Nagel“, dachte ich dann. Aber auch diese Kapelle verfällt nunmehr.
Eine Ecke weiter das nächste Gebäude. Leer. Auf der Scheibe steht immer noch: „Military Haircut $ 7.50“.
Vorbei geht es an einem größeren Bau der alten Kasernen. Hier hatte Bock wohl Wohnungen zu Luxuswohnungen umgebaut und diese auch teuer verkauft. Nicht alle Wohnungen sind belegt. Schön scheinen die Erdgeschosswohnungen zu sein, die einen separaten Zugang zum Vorgarten genießen. Ein Bewohner meint auf meine Frage, was das denn da gekostet habe, mit netten Worten: „Das sage ich Ihnen lieber nicht.“ Ich kann es mir denken.
Turley-Bürgerhaus seit Jahren überfällig
Dann komme ich zum alten Casino. Hier verbrachten die amerikanischen Soldaten ihre Freizeit bei Whisky, Bier und Billard. Im Keller gab es sogar eine Sauna. Es roch noch intensiv nach dem Aufguß, als ich dieses Gebäude circa 2012 besichtigte. Der damalige MWSP-Geschäftsführer Konrad Hummel und seine Projektentwicklungsgesellschaft wollten hier Gutes für den neuen Stadtteil tun: 2016 sollte hier das Bürgerhaus eingeweiht werden. Die Bürger*innen sollten hier ihren Treffpunkt finden und die Initiativen der Mietshäuser-Syndikats-Bauten hier Räume für Veranstaltungen. „Was ist denn damit?“ frage ich einen Bewohner des Geländes, der zufällig vorbeikommt. „Wir wissen nichts. Vor einem halben Jahr schien es weiter zu gehen; jetzt arbeiten zwei Arbeiter irgendetwas am Fundament“, lautet die Antwort. In der Tat ist rund ums Haus ein Graben ausgehoben. Sanierung? Und dann? Die Transparente rund ums Haus, die vom baldigen Bürgerhaus träumen lassen, verbleichen jedenfalls zusehends. Ob da noch was stattfinden wird? Ich denke an den Berliner Flughafen: Der hat(te) auch zehn Jahre Verspätung.
Leben auf der Dauerbaustelle
Ist das nun Idylle oder Tristesse? Wer ruhig leben will und weite Wege nicht scheut, wird diese ungewollte Ruhe als Idylle empfinden. Wer auf eine Entwicklung des Geländes hoffte und sich freute, bald in einem spannenden kleinen Stadtteil zu wohnen, wird eher zur Beurteilung als Tristesse neigen.
Wie aus 20 Prozent ein hundertprozentiger Erfolg wird
Aber es tut sich auch was: Auf dem Neubaugelände wird wild gebaggert. Hier entstehen nun bald weitere Luxuswohnungen. Aber nicht nur: Ein neuer Bebauungsplan (Nr. 32.41.1 „Turley-Areal Teilbereich 2 – 1. Änderung“) für den Nachfolge-Investor Fortoon ermöglichte Verhandlungen über eine Sozialquote. Das war bisher auf dem gesamten Gelände nicht der Fall, da alle anderen Neubauten auf Bebauungsplänen vor 2018 basierten: Alle Wohnungen sind daher teuer und superteuer (mit Ausnahme der drei Wohnprojekte).
250 neue Wohnungen mit neuem Bebauungsplan statt bisher geplanter 200 Wohnungen sollten jetzt neu beschlossen werden. Das Ergebnis: 50 Wohnungen der 250 zum Mietpreis von 7,50 Euro kalt, also 20 Prozent preiswerter Wohnraum. Jetzt würden Kritiker sagen: Nicht einmal die im Gemeinderat beschlossene 30-Prozent-Quote wurde ausgehandelt. Die SPD-Stadträtin Isabel Cademartori funktionierte das stolz zum Erfolg um. Sie schrieb bei Facebook: „100% zusätzlich günstiger Wohnraum“ (Fehler im Original, Anm. d. Red.).
Probleme dürfte der Investor dennoch bekommen: Er muss ja auch für die 200 teuren Wohnungen Mieter*innen bekommen. Doch das Angebot in Mannheim ist mittlerweile mehr als reichlich. Und Corona lässt die Zahl der Mieter*innen, die Luxusmieten zahlen können, auch in Mannheim eher sinken. Wäre das gesamte Gelände attraktiv, wie Tom Bock uns damals träumen ließ, wären die Vermarktungschancen sicher höher.
Anmerkung der Redaktion:
Die drei Wohnprojekte haben ihre Häuser, die ihre Bewohner*innen selbst u.a. mit Kleinkrediten finanzierten, bereits 2016 fertigstellen können. Sie waren nicht nur schneller als die Großinvestoren, sondern haben auch deutlich niedrigere Mieten realisieren können als z.B. die städtische Wohnungsbaugesellschaft in der Carl-Benz-Straße.
Wirklich traurig wie manche Investoren bzw. die MWSP solche tolle alte Gebäude einfach vor sich hin verrotten lässt,
der Turley Park mit seinen alten Baumbeständen könnte auch mit wenigen Mitteln aufgefrischt werden.
Aus der Tiefgarage wird sowieso nichts werden. Die alte Reiterhalle wäre ein perfekter Ort für eine „Markthalle“ kombiniert mit einer „Food Halle“ wie es in vielen anderen Metropolen bereits sehr gut funktioniert.
Kleines Beispiel dazu:
https://www.foodhallen.nl/
Wie war das nochmal mit dem Turley-Konzept!?
Zitat der MWSP Webseite:
…….Es entsteht ein urbanes Wohnquartier mit Gastronomie und Bildungseinrichtungen, sowie gemeinschaftliche Wohnformen neben klassischen Eigentums- und Mietwohnungen, betreutem und inklusivem Wohnen.
Ein zentraler Anziehungspunkt für das Quartier wird im ehemaligen Casino entstehen, welches zu einem Ort des öffentlichen Lebens umgebaut wird und damit einen Gewinn nicht nur für TURLEY, sondern für ganz Mannheim darstellt.
Also dann legt endlich mal los, andere Städte würden solche Orte mit Kusshand nehmen.