Letzte Absprachen zwischen Pfandflaschen und Gitterboxen
Für 8:30 Uhr ist das erste Objekt angesetzt, ein Gewerbeobjekt auf Turley im Verkehrswert von 900.000 Euro. Während sich die Kulturhalle langsam mit Bietern und Interessenten füllt, finden hinter der Halle zwischen Stapeln von leeren Gitterboxen und Säcken von zerquetschten Pfandflaschen eines benachbarten Supermarktes die letzte Besprechungen statt.
Einer der beiden Beteiligten ist Bock höchstpersönlich, der eingetragene Schuldner, der sich mit einem Bevollmächtigten abspricht und Akten einsieht. Er will offenbar nicht fotografiert werden, in der Öffentlichkeit ist er unter seiner schwarzen Wollmütze und einer schwarzen Maske kaum zu erkennen. Und auch als er dann kurz vor Versteigerungsbeginn im Sitzungssaal Platz nimmt und die Maske abnimmt, ist er nicht sofort zu erkennen: Er wirkt gealtert.
Bock bietet auf seine Schulden
Die Sparkasse Rhein-Neckar Nord versucht über die Zwangsvollstreckung an ihr im Oktober 2015 gewährtes Darlehen in Höhe von 970.000 Euro zuzüglich der Zinsen zu kommen. Darüber hinaus tritt auch die Stadt Mannheim als Gläubiger auf für die noch nicht erhaltene Grundsteuer.
Als um 8:49 Uhr die Bieterstunde eröffnet wird, kommt das erste Gebot ausgerechnet von Bock höchstpersönlich: Der bietet 50.000 Euro für die Immobilie und seine damit aufgehäuften Schulden. Es ist eher ein symbolisches Gebot als vielmehr ein ernstzunehmender Versuch, auf diesem Weg wieder auf Turley einzusteigen: Denn Gebote unter 50 Prozent des Verkehrswertes werden nicht zugeschlagen, das sind sämtliche Gebote unter 450.000 Euro.
Weitere Gebote aus Kuwait
Auch das zweite Gebot für das Objekt ist beachtenswert: Mit einem Gebot über 451.000 Euro versuchen die Vertreter der in Köln ansässigen Al-Radwan GmbH & Co. KG das Objekt zu ersteigern. Die Al-Radwan ist auf Turley keine Unbekannte: Seit Juni 2014 ist die Firma zur Hälfte an Bocks Firma Prince Wooster GmbH & Co KG beteiligt. Die Prince Wooster wiederum übernahm 2012 von der MWSP die Grundstücke und Gebäude auf der Turley-Straße 4, 6, 8 und 10.
Werbung
Die Kölner Al-Radwan gehört zur kuwaitischen Firma Ali Al-Radwan & Sons. Seit 1976 sind die weltweit in der Vermögensverwaltung, im Energie- und Kommunikationswesen sowie insbesondere auch im Immobiliensektor aktiv.
So auch seit 2014 in Mannheim. Die kuwaitische Ali Al-Radwan & Sons ist über die Kölner Al-Radwan GmbH & Co. KG zu 50 Prozent an Bocks Prince Wooster GmbH & Co. KG beteiligt und weist in ihrem Portfolio die Beteiligung an fünf Gebäuden auf Turley aus. Das sind die beiden Gebäude Turley-Straße 4 sowie die drei geplanten, im Bau befindlichen und bestehenden Gebäude in der Turley-Straße 6, 8 und 10.
Wegerecht könnte den Preis getrieben haben
Dass Al-Radwan nun aber plötzlich Interesse an dem Gewerbeobjekt Turley-Straße 24 und 26 zeigt, könnte an dem Zugang zu den Gebäuden Turley-Straße 6 und 8 liegen. Denn der führt über den Grund und Boden von Turley-Straße 24 und 26 und ist nicht als Baulast im Grundbuch eingetragen.
So lange die Objekte und Grundstücke von einem Eigentümer als Gesamtheit überplant und überbaut werden, spielt das Wegerecht keine Rolle. Wenn nun aber ein neuer Eigentümer ganz andere Pläne mit der Turley-Straße 24 und 26 verfolgt, könnte sich das kritisch werden. Denn dann entscheidet der neue Besitzer, wer zukünftig über sein Grundstück gehen darf oder kann. Mit dem Erwerb des Objektes Turely-Straße 24 und 26 hätte sich Al-Radwan das Wegerecht und den weiterhin ungehinderten Zugang zu ihren Objekten sichern können.
Werbung
Die Al-Radwan bietet im weiteren Verlauf der Versteigerung zunächst nur gegen den Hauptgläubiger, die Sparkasse. Bei 560.000 Euro steigt dann ein weiterer Bieter in die Auktion ein: Es ist eine vierköpfige Bietergemeinschaft aus Mannheim. Es kommt zu einem langatmigen Bieten zwischen der Al-Radwan und der Bietergemeinschaft, die letztlich bei 801.000 Euro den Zuschlag erhält.
Gesamtentwicklung auf Turley wird zukünftig von Einzelinteressen bestimmt
Das hält die Al-Radwan aber nicht davon ab, bei der zweiten Zwangsversteigerung für 4.060.000 Euro die drei (eigenen) Gebäude Turley-Straße 6 und 8 sowie das Grundstück Turley-Straße 10 zu erwerben. Waren die bisher über die Beteiligung bei der Prince Wooster GmbH & Co. KG nur fünfzig prozentige Besitzer, sind sie mit dem Zuschlag nunmehr hundertprozentige Eigentümer geworden.
Was den zukünftige Zugang zu ihren Gebäuden betrifft, hängt nunmehr von den Plänen und Interessen ihrer neuen Nachbarn ab. Das geschilderte Problem dürfte exemplarisch auch für die neu eingeleitete Gesamtentwicklung des Quartiers nach dem Abgang von Bock gelten. Zwar will die MWSP die neuen Eigentümer umgehend in Gespräche hierüber einbinden, wie sie umgehend nach den ersten Versteigerungen mitteilte. Ob die aber vorrangige Eigeninteressen hinter den Interessen an der Gesamtheit zurückstellen werden, wird sich zeigen.
Den Zuschlag für das dritte Objekt des Tages erhielt der Mannheimer Immobilienunternehmer Tamer Baklan.
Diese Webseite verwendet Cookies, um die Funktionalität zu ermöglichen, Inhalte darzustellen sowie für Statistiken und Werbung.
Funktionale Cookies
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Ab 1 Euro pro Monat sorgst Du dafür, dass unabhängiger Lokaljournalismus in der Neckarstadt möglich bleibt.
Hilf mit, dass sich alle ohne Bezahlschranken informieren und mitreden können. Deine Unterstützung macht den Unterschied für eine informierte demokratische Gesellschaft. 🤝 Jetzt spenden und die Neckarstadt stärken!
Sommerschlussverkauf: Der erste Tag der Zwangsversteigerung zeigt bereits, dass der Traum vom einheitlichen Konzept für Turley endgültig vorbei ist.
Am Donnerstagmorgen, 13. Oktober 2022, begannen im Kulturhaus Käfertal die ersten Turley-Zwangsversteigerungen. Noch bis Februar 2023 werden insgesamt neun Immobilien und Grundstücke mit einem Verkehrswert von mehr als 33 Millionen Euro ausgerufen, die vor fast genau zehn Jahren die Stadt Mannheim an den damals hochgelobten Ankerinvestor Thomas Egon Bock verkauft wurden. Auf der ehemalige Turley-Kaserne sollte ein neues Stadtquartier entwickelt werden.
Doch schon ab 2015 ruhen die Bauarbeiten auf Turley. Offenbar haben dubiose Finanztransaktionen im Zusammenhang mit dem weltweit größten Betrugsskandal mit dem malayischen Staatsfonds 1MDB 2015 zu finanziellen Problemen im Firmengeflecht bei Bock geführt. 2019 tritt die Stadt Mannheim von allen Verträgen mit Bock zurück. Es kommt zu Zwangsmaßnahmen, die 2022 ihren Abschluss in den angesetzten Zwangsversteigerungen finden.
Letzte Absprachen zwischen Pfandflaschen und Gitterboxen
Für 8:30 Uhr ist das erste Objekt angesetzt, ein Gewerbeobjekt auf Turley im Verkehrswert von 900.000 Euro. Während sich die Kulturhalle langsam mit Bietern und Interessenten füllt, finden hinter der Halle zwischen Stapeln von leeren Gitterboxen und Säcken von zerquetschten Pfandflaschen eines benachbarten Supermarktes die letzte Besprechungen statt.
Einer der beiden Beteiligten ist Bock höchstpersönlich, der eingetragene Schuldner, der sich mit einem Bevollmächtigten abspricht und Akten einsieht. Er will offenbar nicht fotografiert werden, in der Öffentlichkeit ist er unter seiner schwarzen Wollmütze und einer schwarzen Maske kaum zu erkennen. Und auch als er dann kurz vor Versteigerungsbeginn im Sitzungssaal Platz nimmt und die Maske abnimmt, ist er nicht sofort zu erkennen: Er wirkt gealtert.
Bock bietet auf seine Schulden
Die Sparkasse Rhein-Neckar Nord versucht über die Zwangsvollstreckung an ihr im Oktober 2015 gewährtes Darlehen in Höhe von 970.000 Euro zuzüglich der Zinsen zu kommen. Darüber hinaus tritt auch die Stadt Mannheim als Gläubiger auf für die noch nicht erhaltene Grundsteuer.
Als um 8:49 Uhr die Bieterstunde eröffnet wird, kommt das erste Gebot ausgerechnet von Bock höchstpersönlich: Der bietet 50.000 Euro für die Immobilie und seine damit aufgehäuften Schulden. Es ist eher ein symbolisches Gebot als vielmehr ein ernstzunehmender Versuch, auf diesem Weg wieder auf Turley einzusteigen: Denn Gebote unter 50 Prozent des Verkehrswertes werden nicht zugeschlagen, das sind sämtliche Gebote unter 450.000 Euro.
Weitere Gebote aus Kuwait
Auch das zweite Gebot für das Objekt ist beachtenswert: Mit einem Gebot über 451.000 Euro versuchen die Vertreter der in Köln ansässigen Al-Radwan GmbH & Co. KG das Objekt zu ersteigern. Die Al-Radwan ist auf Turley keine Unbekannte: Seit Juni 2014 ist die Firma zur Hälfte an Bocks Firma Prince Wooster GmbH & Co KG beteiligt. Die Prince Wooster wiederum übernahm 2012 von der MWSP die Grundstücke und Gebäude auf der Turley-Straße 4, 6, 8 und 10.
Die Kölner Al-Radwan gehört zur kuwaitischen Firma Ali Al-Radwan & Sons. Seit 1976 sind die weltweit in der Vermögensverwaltung, im Energie- und Kommunikationswesen sowie insbesondere auch im Immobiliensektor aktiv.
So auch seit 2014 in Mannheim. Die kuwaitische Ali Al-Radwan & Sons ist über die Kölner Al-Radwan GmbH & Co. KG zu 50 Prozent an Bocks Prince Wooster GmbH & Co. KG beteiligt und weist in ihrem Portfolio die Beteiligung an fünf Gebäuden auf Turley aus. Das sind die beiden Gebäude Turley-Straße 4 sowie die drei geplanten, im Bau befindlichen und bestehenden Gebäude in der Turley-Straße 6, 8 und 10.
Wegerecht könnte den Preis getrieben haben
Dass Al-Radwan nun aber plötzlich Interesse an dem Gewerbeobjekt Turley-Straße 24 und 26 zeigt, könnte an dem Zugang zu den Gebäuden Turley-Straße 6 und 8 liegen. Denn der führt über den Grund und Boden von Turley-Straße 24 und 26 und ist nicht als Baulast im Grundbuch eingetragen.
So lange die Objekte und Grundstücke von einem Eigentümer als Gesamtheit überplant und überbaut werden, spielt das Wegerecht keine Rolle. Wenn nun aber ein neuer Eigentümer ganz andere Pläne mit der Turley-Straße 24 und 26 verfolgt, könnte sich das kritisch werden. Denn dann entscheidet der neue Besitzer, wer zukünftig über sein Grundstück gehen darf oder kann. Mit dem Erwerb des Objektes Turely-Straße 24 und 26 hätte sich Al-Radwan das Wegerecht und den weiterhin ungehinderten Zugang zu ihren Objekten sichern können.
Die Al-Radwan bietet im weiteren Verlauf der Versteigerung zunächst nur gegen den Hauptgläubiger, die Sparkasse. Bei 560.000 Euro steigt dann ein weiterer Bieter in die Auktion ein: Es ist eine vierköpfige Bietergemeinschaft aus Mannheim. Es kommt zu einem langatmigen Bieten zwischen der Al-Radwan und der Bietergemeinschaft, die letztlich bei 801.000 Euro den Zuschlag erhält.
Gesamtentwicklung auf Turley wird zukünftig von Einzelinteressen bestimmt
Das hält die Al-Radwan aber nicht davon ab, bei der zweiten Zwangsversteigerung für 4.060.000 Euro die drei (eigenen) Gebäude Turley-Straße 6 und 8 sowie das Grundstück Turley-Straße 10 zu erwerben. Waren die bisher über die Beteiligung bei der Prince Wooster GmbH & Co. KG nur fünfzig prozentige Besitzer, sind sie mit dem Zuschlag nunmehr hundertprozentige Eigentümer geworden.
Was den zukünftige Zugang zu ihren Gebäuden betrifft, hängt nunmehr von den Plänen und Interessen ihrer neuen Nachbarn ab. Das geschilderte Problem dürfte exemplarisch auch für die neu eingeleitete Gesamtentwicklung des Quartiers nach dem Abgang von Bock gelten. Zwar will die MWSP die neuen Eigentümer umgehend in Gespräche hierüber einbinden, wie sie umgehend nach den ersten Versteigerungen mitteilte. Ob die aber vorrangige Eigeninteressen hinter den Interessen an der Gesamtheit zurückstellen werden, wird sich zeigen.
Den Zuschlag für das dritte Objekt des Tages erhielt der Mannheimer Immobilienunternehmer Tamer Baklan.
Das Neckarstadtblog dankt für die Unterstützung von: