Mehr Raum für Kultur: Die Zukunft des BBK und der Freien Kunstakademie in Mannheim bleibt unsicher. Welche Perspektiven gibt es?
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Am 24. Dezember 2022 berichtete das Neckarstadtblog unter dem Titel „Die geheime Agenda des Kulturdezernats“ über das Vorhaben der Stadt, den BBK umzusiedeln. In der Alten Feuerwache gab es für die seit 40 Jahren dort ansässigen, von der UNESCO ausgezeichneten Druckwerkstätten keine Zukunft mehr. Das immaterielle UNESCO-Kulturerbe war dabei offenbar zweitrangig.
Als neue Heimat für die Werkstätten wurde damals der wachsende Stadtteil Franklin ins Auge gefasst. Am Ende fehlt es jedoch an Geld, Willen, Fachkräften und Umsetzungsvermögen. Das endgültige Aus für den Standort ergab sich aus einer vom Kulturdezernat in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft MWSP. Das Ergebnis: Die Finanzierung hätte das Budget der Stadt gesprengt.
Anvisierter Umzugstermin platzt
Tatsächlich hing an dieser angedachten neuen Heimat, einer leerstehenden ehemaligen Verkaufshalle der US-Streitkräfte auf Franklin, noch ein erheblicher Rattenschwanz. Denn auch die Freie Kunstakademie Mannheim (FKAM), die derzeit noch in U3 im Herschelbad untergebracht ist, sowie das Nationaltheater Mannheim (NTM) mit den Requisiten des Vierspartentheaters sollten während der fünfjährigen Generalsanierung dort eingelagert werden. Eine Lösung für drei Einrichtungen zugleich, so die Überlegung.
Selbst in die Hand genommen
Der BBK, dessen Mitglieder leider mit politischer Willkür im Kulturbereich vertraut sind, setzte auf Eigeninitiative: Der Verein suchte und fand auf dem Felina-Gelände Räumlichkeiten zum Aufbau seines umfangreichen Maschinenparks für Hoch-, Tief- und Siebdruck. Ein Vorteil der neuen Räume: die verstärkten Decken aus früherer Nutzung als Nähmaschinenareal. Der Umzug erfolgte Anfang Juli 2022. Dennoch ist der Siebdruck bis heute nicht wie in der Alten Feuerwache mit allen umwelttechnischen Anforderungen vollständig umsetzbar. Die Reinigung der Siebe muss auf engstem Raum im Toilettenbereich erfolgen. Zusätzlich musste ein Großteil der Druckpressen eingelagert werden, „wofür uns der Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs bis Ende 2024 dankenswerterweise Raum zur Verfügung stellte“, so Sonja Scherer vom BBK-Vorstand auf Nachfrage.
So repräsentativ und zugänglich wie in der Alten Feuerwache sind die aktuellen Räume des BBK nicht mehr | Foto: M. Schülke
Über ein wenig einladendes Treppenhaus gelangt man aktuell zum BBK | Foto: M. Schülke
Raumplanung wie gedruckt: Der BBK musste sich auf dem Felina-Areal neu einrichten | Foto: Richter
Die damaligen Verantwortlichen, Kulturamtsleiterin Sabine Schirra und Kulturbürgermeister Michael Grötsch, konnten sich rühmen, das Projekt fristgerecht abzuschließen – einschließlich ihres eigenen Abschieds in den Ruhestand.
„Statt Brücken zu bauen, mauert das Kulturdezernat“, spielt Künstler*innen und Kunstinstitutionen gegeneinander aus, so der Tenor unseres damaligen Artikels. Der Umgang mit Steuergeldern in diesem Kontext wirft Fragen zur Transparenz auf und verlangt nach wie vor eine umfassende Offenlegung.
Bei den Druckwerkstätten fand inzwischen am 2. Oktober dieses Jahres eine Begehung auf dem Felina-Gelände statt. Anwesend waren der neue Kulturbürgermeister Thorsten Riehle, Jean-Marc Fey (Bereichsleiter Projektmanagement Cube Real Estate), Sascha Koal (Theater Felina-Areal) und der BBK-Vorstand. Hintergrund ist ein geplanter erneuter Umzug der Druckwerkstätten innerhalb des Felina-Areals.
Zur Verfügung stehen 650 Quadratmeter große Räume in Richtung Pozzistraße, was das Problem mit den weiterhin eingelagerten Maschinen lösen würde. Baugenehmigung und Baubeginn sind jedoch bislang unklar, ebenso wie die mit dem Umzug verbundenen zusätzlichen Kosten, die noch einer Beschlussfassung im Haushaltsausschuss bedürfen könnten – insbesondere, da die Quadratmeterkosten bei 20 Euro liegen. Derzeit steht der Oberbürgermeister allerdings eisern auf der Haushaltsbremse.
Der Neue und die Achse der drei Slots
Das neue Kapitel begann mit der Wahl eines neuen Dezernenten. Zunächst angetreten als OB-Kandidat und seinem Konkurrenten Christian Specht knapp unterlegen, reichte es für Thorsten Riehle schließlich für den Posten des Kulturbürgermeisters. Seinen Amtsantritt hatte er am 1. März dieses Jahres und verantwortet im Dezernat II nun die Bereiche Wirtschaft, Soziales und Kultur.
In einem Interview mit dem Mannheimer Morgen vom 25. Juni sagte Thorsten Riehle, dass man die Probleme im Kulturbereich nun aber wirklich anpacken müsse. Dass er dem Bildungsdezernenten Dirk Grunert auf diese Weise Unterstützung anbieten wolle: „wie wir mit Hilfe von Menschen aus Kultur und Sportvereinen die Betreuung von Kindern unterstützen können.“ Außerdem, so Riehle, „können wir damit nicht nur Erzieherinnen und Erzieher entlasten, sondern Kindern gleichzeitig auch Bewegungs- und Kreativangebote machen.“
Eine gute Idee, doch die Einbettung des Kultursektors in ein Solidaritätssystem scheiterte – so auch bei den Studierenden und Lehrkräften der Freien Kunstakademie Mannheim (FKAM), wie aus dem Künstlermilieu zu hören war. Unklar blieb auch, wie und in welchem Umfang Honorare für die erbrachten Leistungen geregelt würden. Aber da Riehle, bevor er Dezernent wurde, nahezu 30 Jahre lang Chef des Kulturhauses Capitol war, sind das sicherlich nur Peanuts, so böse Zungen. Das Projekt zum Kreativangebot ist vorerst gestrichen; wenn überhaupt, wird das Bewegungsangebot umgesetzt. Doch an Interessenten für die Mitarbeit in der Randzeitenbetreuung mangelt es bislang: „Das sind einzelne konkrete Personen, keine Flut von Bewerbungen“, so Dirk Grunert.
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Tempus fugit
Die Zeit drängt bei insgesamt zwei von drei Kulturinstitutionen: Beim Berufsverband Bildender Künstler (BBK) auf dem Felina-Gelände, der Alten Feuerwache und auf der Innenstadtseite bei der Freien Kunstakademie Mannheim (FKAM) in U3, im Herschelbad. Stifter dieses Monumentalbauwerks war übrigens der jüdische Kaufmann und Stadtrat Bernhard Herschel, der kurz vor seinem Tod 1905 Mannheim eine halbe Million Goldmark schenkte.
„Leider nagt der Zahn der Zeit an der über 80 Jahre alten Oase der Erholung,“ verkündet die Webseite der Freunde und Förderer e.V. des Herschelbads. Sanierungsbedürftig sucht das Kleinod dringend Spender*innen und Unterstützer*innen. Die Frage, die indes viele Kunstliebhaber*innen umtreibt: Wird in dem einstmals und letztendlich gecancelten, von einem Schweizer Investor geplanten Wellness-Tempel noch Platz sein für die angehenden Künstler*innen, die im linken Trakt auf drei Stockwerken mit circa 1200 Quadratmetern logieren? Eher nicht.
Wo werden in Zukunft die sorgsam kuratierten Events mit Absolvent*innen der verschiedenen Semester der FKAM stattfinden? Gibt es für diesen etablierten Szenetreff und Publikumsmagneten einen beauftragten Raumagenten? Wie geht es weiter mit Diplom, Vollstudium und dem Studiengang Pädagogik? Fragen, die auf der letzten inspirierenden Sommerausstellung im Juli aufkamen. Ratlose Gesichter all überall. Eine erneute Anfrage bei der Akademieleitung erbrachte keinen neuen Sachverhalt. Vom Dezernat II erhielt das Neckarstadtblog auf Anfrage auch wenig Konkretes: „Die Konzeption und die zeitliche Dimension für die Sanierung und zukünftige Nutzung des Herschelbads befinden sich in der Prüfung. Ziel ist, dass die Freie Kunstakademie die Räume im Herschelbad solange wie möglich nutzen kann. Aktuell ist ihr Verbleib für die nächsten 1,5 Jahre gesichert. Über mögliche Anschlussoptionen ist die Verwaltung im Gespräch.“
Um die Zukunft gestalten zu können, brauche die Gesellschaft „viel mehr Kultur“, so Riehle im Juli bei einem Treffen in den Reiss-Engelhorn-Museen (REM), weil gerade kulturelle Angebote Partizipation und Dialog möglich machen. Diese Einschätzung des Kulturbürgermeisters trifft sicherlich einen Kern, denn Bürger*innen wünschen sich Transparenz und Klarheit – keine vagen Aussagen oder politische Floskeln.
Im Oktober betonte Isabel Cademartori, Vorsitzende des Vereins Freunde und Förderer des Herschelbades, im Gespräch mit dem Mannheimer Morgen, dass die Zukunft des traditionsreichen Jugendstilbades auf wackeligen Füßen steht. Laut Cademartori fehlen im Haushaltsplan der Stadt Mannheim Mittel für die notwendige Sanierung. Das Herschelbad soll schließen, sobald das neue Kombibad im Herzogenried 2025 eröffnet wird. Für das historische Gebäude fordert der Verein jedoch ein nachhaltiges Konzept. „Es braucht tragfähige Planungen, damit das Herschelbad nicht vollständig zum Opfer fällt,“ so Cademartori im Mannheimer Morgen.
Teilhabe ist ein großes Wort
Partizipation fordern, heißt im Klartext, den Abgrund zwischen Anspruch und Realität zu überbrücken: Um Vertrauen werben, Strategien entwerfen, flache Hierarchien. Das versucht gerade die Dritte im Bund – die Alte Feuerwache. Er habe damit keine Probleme, so der Geschäftsführer Christian Handrich. Jaqueline Mellein, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und neuerdings Awareness, sieht das genauso. Bei der Besichtigung der über 400 Quadratmeter verteilten Räumlichkeiten, die noch im Jahr 2022 die Druckwerkstätten des BBK beherbergten, zeigen die beiden stolz die mit „viel Eigeninitiative gestaltete Etage“. Den nicht abgebauten Abzugsschacht der Siebdruckanlage hat die Crew grün gestrichen. Flurwände abgedämmt, gestrichen, viel Material recycelt. Und wirklich – die neue Backstage-Area mit Retro-Radio kann sich sehen lassen. PR- und Projektteams plus Disponenten, die sich vorher mit einem Raum begnügen mussten, sind nun über vier Räume verteilt. Viel Platz, große Terrasse und alles deckenverstärkt für gewichtige Schreibtische. Folglich ist nun Platz für mehr Auszubildende und das Thema Awareness.
Im Südtrakt, noch menschenleer, ohne Schreibtische und PCs, sollen in Zukunft Sitzungsräume für Initiativen angeboten werden. Ein Coworking-Space für Kulturschaffende, die finanziell weniger gut aufgestellt sind. Klingt gut und ist in sich stimmig: Die Alte Feuerwache als Komplettanbieter für kulturelle Highlights aus Musikprogramm, Literaturtagen und Enjoy-Jazz-Festival. Kultur und Kommerz schließen einander nicht mehr aus. Man ist regional und international gut vernetzt.
Als 100-prozentige Tochter der Stadt Mannheim ist die Alte Feuerwache personell und finanziell verhältnismäßig gut aufgestellt. Das ermöglicht langfristige Planung, effiziente Öffentlichkeitsarbeit und bei Unklarheiten schnell alle relevanten Interessengruppen einzubeziehen. Und der Draht ins Kulturamt ist kurz.
Quo vadis – Wo geht’s in Zukunft lang?
Weder BBK noch FKAM ist dies möglich. Sie befinden sich im Schwebezustand. Keiner weiß momentan so recht, wo es zukünftig langgeht. Herschelbad und damit die Akademie machen in absehbarer Zeit dicht – spätestens Ende 2025. Und beim Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs lagern immer noch Maschinen der Druckwerkstätten des BBK, solange der endgültige Umzug noch nicht in trockenen Tüchern ist. Auf Nachfrage zum aktuellen Stand gab der BBK-Vorstand keine Informationen preis. Während man auf dem Gelände kaum Fortschritte sieht, finden im Hintergrund wohl noch heikle Verhandlungen statt.
In „Deutsch light“ heißt das Wort Partizipation: mit⋅reden und mit⋅bestimmen. Mangels Informationen kann man nicht mit⋅reden und mit⋅bestimmen. Bürgermeister Riehle zufolge braucht die Gesellschaft „viel mehr Kultur“, um die Zukunft gestalten zu können. Dies erfordert eine verbindliche und gelebte Umgangskultur – keine bloßen Lippenbekenntnisse.
Quellen: Eigene Recherchen, Presseauskünfte der Stadt Mannheim, der FKMA, Vororttermin in der Alten Feuerwache, beim BBK, Mannheimer Morgen
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Mehr Raum für Kultur: Die Zukunft des BBK und der Freien Kunstakademie in Mannheim bleibt unsicher. Welche Perspektiven gibt es?
Am 24. Dezember 2022 berichtete das Neckarstadtblog unter dem Titel „Die geheime Agenda des Kulturdezernats“ über das Vorhaben der Stadt, den BBK umzusiedeln. In der Alten Feuerwache gab es für die seit 40 Jahren dort ansässigen, von der UNESCO ausgezeichneten Druckwerkstätten keine Zukunft mehr. Das immaterielle UNESCO-Kulturerbe war dabei offenbar zweitrangig.
Als neue Heimat für die Werkstätten wurde damals der wachsende Stadtteil Franklin ins Auge gefasst. Am Ende fehlt es jedoch an Geld, Willen, Fachkräften und Umsetzungsvermögen. Das endgültige Aus für den Standort ergab sich aus einer vom Kulturdezernat in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft MWSP. Das Ergebnis: Die Finanzierung hätte das Budget der Stadt gesprengt.
Anvisierter Umzugstermin platzt
Tatsächlich hing an dieser angedachten neuen Heimat, einer leerstehenden ehemaligen Verkaufshalle der US-Streitkräfte auf Franklin, noch ein erheblicher Rattenschwanz. Denn auch die Freie Kunstakademie Mannheim (FKAM), die derzeit noch in U3 im Herschelbad untergebracht ist, sowie das Nationaltheater Mannheim (NTM) mit den Requisiten des Vierspartentheaters sollten während der fünfjährigen Generalsanierung dort eingelagert werden. Eine Lösung für drei Einrichtungen zugleich, so die Überlegung.
Selbst in die Hand genommen
Der BBK, dessen Mitglieder leider mit politischer Willkür im Kulturbereich vertraut sind, setzte auf Eigeninitiative: Der Verein suchte und fand auf dem Felina-Gelände Räumlichkeiten zum Aufbau seines umfangreichen Maschinenparks für Hoch-, Tief- und Siebdruck. Ein Vorteil der neuen Räume: die verstärkten Decken aus früherer Nutzung als Nähmaschinenareal. Der Umzug erfolgte Anfang Juli 2022. Dennoch ist der Siebdruck bis heute nicht wie in der Alten Feuerwache mit allen umwelttechnischen Anforderungen vollständig umsetzbar. Die Reinigung der Siebe muss auf engstem Raum im Toilettenbereich erfolgen. Zusätzlich musste ein Großteil der Druckpressen eingelagert werden, „wofür uns der Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs bis Ende 2024 dankenswerterweise Raum zur Verfügung stellte“, so Sonja Scherer vom BBK-Vorstand auf Nachfrage.
Die damaligen Verantwortlichen, Kulturamtsleiterin Sabine Schirra und Kulturbürgermeister Michael Grötsch, konnten sich rühmen, das Projekt fristgerecht abzuschließen – einschließlich ihres eigenen Abschieds in den Ruhestand.
„Statt Brücken zu bauen, mauert das Kulturdezernat“, spielt Künstler*innen und Kunstinstitutionen gegeneinander aus, so der Tenor unseres damaligen Artikels. Der Umgang mit Steuergeldern in diesem Kontext wirft Fragen zur Transparenz auf und verlangt nach wie vor eine umfassende Offenlegung.
Bei den Druckwerkstätten fand inzwischen am 2. Oktober dieses Jahres eine Begehung auf dem Felina-Gelände statt. Anwesend waren der neue Kulturbürgermeister Thorsten Riehle, Jean-Marc Fey (Bereichsleiter Projektmanagement Cube Real Estate), Sascha Koal (Theater Felina-Areal) und der BBK-Vorstand. Hintergrund ist ein geplanter erneuter Umzug der Druckwerkstätten innerhalb des Felina-Areals.
Zur Verfügung stehen 650 Quadratmeter große Räume in Richtung Pozzistraße, was das Problem mit den weiterhin eingelagerten Maschinen lösen würde. Baugenehmigung und Baubeginn sind jedoch bislang unklar, ebenso wie die mit dem Umzug verbundenen zusätzlichen Kosten, die noch einer Beschlussfassung im Haushaltsausschuss bedürfen könnten – insbesondere, da die Quadratmeterkosten bei 20 Euro liegen. Derzeit steht der Oberbürgermeister allerdings eisern auf der Haushaltsbremse.
Der Neue und die Achse der drei Slots
Das neue Kapitel begann mit der Wahl eines neuen Dezernenten. Zunächst angetreten als OB-Kandidat und seinem Konkurrenten Christian Specht knapp unterlegen, reichte es für Thorsten Riehle schließlich für den Posten des Kulturbürgermeisters. Seinen Amtsantritt hatte er am 1. März dieses Jahres und verantwortet im Dezernat II nun die Bereiche Wirtschaft, Soziales und Kultur.
In einem Interview mit dem Mannheimer Morgen vom 25. Juni sagte Thorsten Riehle, dass man die Probleme im Kulturbereich nun aber wirklich anpacken müsse. Dass er dem Bildungsdezernenten Dirk Grunert auf diese Weise Unterstützung anbieten wolle: „wie wir mit Hilfe von Menschen aus Kultur und Sportvereinen die Betreuung von Kindern unterstützen können.“ Außerdem, so Riehle, „können wir damit nicht nur Erzieherinnen und Erzieher entlasten, sondern Kindern gleichzeitig auch Bewegungs- und Kreativangebote machen.“
Eine gute Idee, doch die Einbettung des Kultursektors in ein Solidaritätssystem scheiterte – so auch bei den Studierenden und Lehrkräften der Freien Kunstakademie Mannheim (FKAM), wie aus dem Künstlermilieu zu hören war. Unklar blieb auch, wie und in welchem Umfang Honorare für die erbrachten Leistungen geregelt würden. Aber da Riehle, bevor er Dezernent wurde, nahezu 30 Jahre lang Chef des Kulturhauses Capitol war, sind das sicherlich nur Peanuts, so böse Zungen. Das Projekt zum Kreativangebot ist vorerst gestrichen; wenn überhaupt, wird das Bewegungsangebot umgesetzt. Doch an Interessenten für die Mitarbeit in der Randzeitenbetreuung mangelt es bislang: „Das sind einzelne konkrete Personen, keine Flut von Bewerbungen“, so Dirk Grunert.
Tempus fugit
Die Zeit drängt bei insgesamt zwei von drei Kulturinstitutionen: Beim Berufsverband Bildender Künstler (BBK) auf dem Felina-Gelände, der Alten Feuerwache und auf der Innenstadtseite bei der Freien Kunstakademie Mannheim (FKAM) in U3, im Herschelbad. Stifter dieses Monumentalbauwerks war übrigens der jüdische Kaufmann und Stadtrat Bernhard Herschel, der kurz vor seinem Tod 1905 Mannheim eine halbe Million Goldmark schenkte.
„Leider nagt der Zahn der Zeit an der über 80 Jahre alten Oase der Erholung,“ verkündet die Webseite der Freunde und Förderer e.V. des Herschelbads. Sanierungsbedürftig sucht das Kleinod dringend Spender*innen und Unterstützer*innen. Die Frage, die indes viele Kunstliebhaber*innen umtreibt: Wird in dem einstmals und letztendlich gecancelten, von einem Schweizer Investor geplanten Wellness-Tempel noch Platz sein für die angehenden Künstler*innen, die im linken Trakt auf drei Stockwerken mit circa 1200 Quadratmetern logieren? Eher nicht.
Wo werden in Zukunft die sorgsam kuratierten Events mit Absolvent*innen der verschiedenen Semester der FKAM stattfinden? Gibt es für diesen etablierten Szenetreff und Publikumsmagneten einen beauftragten Raumagenten? Wie geht es weiter mit Diplom, Vollstudium und dem Studiengang Pädagogik? Fragen, die auf der letzten inspirierenden Sommerausstellung im Juli aufkamen. Ratlose Gesichter all überall. Eine erneute Anfrage bei der Akademieleitung erbrachte keinen neuen Sachverhalt. Vom Dezernat II erhielt das Neckarstadtblog auf Anfrage auch wenig Konkretes: „Die Konzeption und die zeitliche Dimension für die Sanierung und zukünftige Nutzung des Herschelbads befinden sich in der Prüfung. Ziel ist, dass die Freie Kunstakademie die Räume im Herschelbad solange wie möglich nutzen kann. Aktuell ist ihr Verbleib für die nächsten 1,5 Jahre gesichert. Über mögliche Anschlussoptionen ist die Verwaltung im Gespräch.“
Um die Zukunft gestalten zu können, brauche die Gesellschaft „viel mehr Kultur“, so Riehle im Juli bei einem Treffen in den Reiss-Engelhorn-Museen (REM), weil gerade kulturelle Angebote Partizipation und Dialog möglich machen. Diese Einschätzung des Kulturbürgermeisters trifft sicherlich einen Kern, denn Bürger*innen wünschen sich Transparenz und Klarheit – keine vagen Aussagen oder politische Floskeln.
Im Oktober betonte Isabel Cademartori, Vorsitzende des Vereins Freunde und Förderer des Herschelbades, im Gespräch mit dem Mannheimer Morgen, dass die Zukunft des traditionsreichen Jugendstilbades auf wackeligen Füßen steht. Laut Cademartori fehlen im Haushaltsplan der Stadt Mannheim Mittel für die notwendige Sanierung. Das Herschelbad soll schließen, sobald das neue Kombibad im Herzogenried 2025 eröffnet wird. Für das historische Gebäude fordert der Verein jedoch ein nachhaltiges Konzept. „Es braucht tragfähige Planungen, damit das Herschelbad nicht vollständig zum Opfer fällt,“ so Cademartori im Mannheimer Morgen.
Teilhabe ist ein großes Wort
Partizipation fordern, heißt im Klartext, den Abgrund zwischen Anspruch und Realität zu überbrücken: Um Vertrauen werben, Strategien entwerfen, flache Hierarchien. Das versucht gerade die Dritte im Bund – die Alte Feuerwache. Er habe damit keine Probleme, so der Geschäftsführer Christian Handrich. Jaqueline Mellein, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und neuerdings Awareness, sieht das genauso. Bei der Besichtigung der über 400 Quadratmeter verteilten Räumlichkeiten, die noch im Jahr 2022 die Druckwerkstätten des BBK beherbergten, zeigen die beiden stolz die mit „viel Eigeninitiative gestaltete Etage“. Den nicht abgebauten Abzugsschacht der Siebdruckanlage hat die Crew grün gestrichen. Flurwände abgedämmt, gestrichen, viel Material recycelt. Und wirklich – die neue Backstage-Area mit Retro-Radio kann sich sehen lassen. PR- und Projektteams plus Disponenten, die sich vorher mit einem Raum begnügen mussten, sind nun über vier Räume verteilt. Viel Platz, große Terrasse und alles deckenverstärkt für gewichtige Schreibtische. Folglich ist nun Platz für mehr Auszubildende und das Thema Awareness.
Im Südtrakt, noch menschenleer, ohne Schreibtische und PCs, sollen in Zukunft Sitzungsräume für Initiativen angeboten werden. Ein Coworking-Space für Kulturschaffende, die finanziell weniger gut aufgestellt sind. Klingt gut und ist in sich stimmig: Die Alte Feuerwache als Komplettanbieter für kulturelle Highlights aus Musikprogramm, Literaturtagen und Enjoy-Jazz-Festival. Kultur und Kommerz schließen einander nicht mehr aus. Man ist regional und international gut vernetzt.
Als 100-prozentige Tochter der Stadt Mannheim ist die Alte Feuerwache personell und finanziell verhältnismäßig gut aufgestellt. Das ermöglicht langfristige Planung, effiziente Öffentlichkeitsarbeit und bei Unklarheiten schnell alle relevanten Interessengruppen einzubeziehen. Und der Draht ins Kulturamt ist kurz.
Quo vadis – Wo geht’s in Zukunft lang?
Weder BBK noch FKAM ist dies möglich. Sie befinden sich im Schwebezustand. Keiner weiß momentan so recht, wo es zukünftig langgeht. Herschelbad und damit die Akademie machen in absehbarer Zeit dicht – spätestens Ende 2025. Und beim Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs lagern immer noch Maschinen der Druckwerkstätten des BBK, solange der endgültige Umzug noch nicht in trockenen Tüchern ist. Auf Nachfrage zum aktuellen Stand gab der BBK-Vorstand keine Informationen preis. Während man auf dem Gelände kaum Fortschritte sieht, finden im Hintergrund wohl noch heikle Verhandlungen statt.
In „Deutsch light“ heißt das Wort Partizipation: mit⋅reden und mit⋅bestimmen. Mangels Informationen kann man nicht mit⋅reden und mit⋅bestimmen. Bürgermeister Riehle zufolge braucht die Gesellschaft „viel mehr Kultur“, um die Zukunft gestalten zu können. Dies erfordert eine verbindliche und gelebte Umgangskultur – keine bloßen Lippenbekenntnisse.
Quellen: Eigene Recherchen, Presseauskünfte der Stadt Mannheim, der FKMA, Vororttermin in der Alten Feuerwache, beim BBK, Mannheimer Morgen
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