Timo Kumpf hat eine Entscheidung getroffen, eine die weh tut. Ihm und vielen vielen Anderen. Dafür gibt es viele und auch viele gute Gründe.
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Ein Gastbeitrag von Rainer Döhring
Einer, der in der Öffentlichkeit zu diskutieren ist, ist der ewige Kampf um Unterstützung, um nachhaltige finanzielle und im Zweifel auch institutionelle Förderung für Konzepte, Formate und Bühnen für ein Programm der Jungen und der Junggebliebenen, der Neugierigen, der Innovativen, der Progressiven, der Liebhaber*innen neuer Musik, junger Musik, vielleicht manchmal auch seltsamer Musik, Freunde der Vielfalt, des Experiments, manchmal auch der Hedonie, vor allem einer Kultur der Vielen. Das findet vielleicht nicht jeder Wagner-Fan cool, aber das beruht ja im Zweifel auch mal auf Gegenseitigkeit.
Commitment für die Kultur: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Ein Kampf also um angemessenes, aber auch um dringend notwendiges und vor allem um ein ernst gemeintes und dauerhaftes Commitment, auch und gerade einer Stadt, die sich frank und frei als UNESCO City of Music auszeichnen ließ – das Lindenblatt zwischen Popsiegfrieds Mannheimer Schultern aus kommunaler Popförderung und kreativer Stadtentwicklung. Commitment nicht nur im Sinne des Festivals und dessen sicherer Planbarkeit für seine(n) Macher, sondern in allererster Linie gegenüber einem Publikum, das eben auch ein Recht auf kulturelles Erleben und Genießen hat und das an seinem Support für das Maifeld Derby wiederum nie auch nur den Hauch eines Zweifels entstehen lassen hat.
Ein Ungleichgewicht: Die Tempel der Alten und die Vernachlässigung der Jungen
Genau deswegen ist es sowohl so bitter als auch so konsequent, wenn Timo Kumpf die Reißleine zieht. Denn aus seiner Sicht und der seiner Mitstreiter*innen, seiner Besucher*innen und im Zweifel auch der Künstler*innen muss man sich hier einer Haltung konfrontiert sehen, die sich gesellschaftlich in so vieler Weise zeigt: den Alten ihre Tempel, den Jungen im Zweifel nichts! Solange die einen die Füße unter den Tisch der anderen… dann hilft vielleicht nur der Auszug, der Abgang, der letzte Vorhang.
Investitionen in Steine, nicht in Menschen
Was ist damit gemeint? Während die einen sich ihre Musikstadt bauen und inventarisieren, wie sie wollen, ihre kulturellen Prunksäle mit dreistelligen Millionenbeträgen sanieren – und da spricht dann noch niemand von dem für die ernsten Cliquen, manchmal gefühlt vor allem sich selbst inszenierenden Wasserkopf an Intendanzen und deren kostenintensivem Regiment über eine Vielzahl an Saison-, pardon, Spielzeit-Arbeiter*innen im eigentlichen Betrieb – sondern einfach vom Sanieren, vom Interimsschaffen und Bespielen von Spielstätten, da ist noch nichts Unterhaltendes oder Inspirierendes passiert.
Wo bleibt die nachhaltige Förderung?
Während die einen hier also mit dem Geld aller um sich schmeißen, betteln die anderen um die zugewandte Wahrnehmung weniger Entscheider*innen, um Unterstützung, um finanzielle Trostpflasterchen, um nicht mal 1/1000stel (!!!) der NTM-Sanierungskosten, um ein mutiges und innovatives Programm für die Kinder und Kindeskinder dieses wohlstandsbesoffenen und äußerst nimmersatten Opern- und Theaterpublikums herzustellen. Das heißt: Wenn es bei den einen durchs Dach regnet, fließt das Geld in Strömen, um die Dächer zu vergolden. Wenn es bei den anderen durchs Dach regnet, werden Wannen darunter gestellt, mit denen dann das popkulturelle Kind samt dem Bade auf der Straße ausgeschüttet wird.
Musikstadt für wen?
Da ist Musikstadt ganz einfach eben nicht gleich Musikstadt – zumindest nicht für alle und schon gar nicht in gleichem Maße. Für die einen unterhält man Orchester und Ensembles, baut ihnen güldene Gräben und lüsterbeleuchtete Ränge, wenn man will, auch Jazzclubs in edlen Kellern. Für die anderen schafft man 5000-Euro-Fördertöpfe mit zwanzig Prozent Eigenbeteiligung und lässt sie zum Sonntagsshopping unterbezahlt auf der Straße spielen, wo sie doch nach den Kampagnen der 00er-Jahre nie landen sollten.
Die Willkür der Kulturpolitik
Für die einen nimmt man sich aus dem Haushalt, wie man es braucht, den anderen hält man vorwurfsvolle Predigten, ob ihnen die Haushaltslage denn nicht klar wäre. Nein, hier muss man auch dem ansonsten grundrichtigen Kommentar von Jörg-Peter Klotz aus dem Mannheimer Morgen vom 28.11. widersprechen. Man muss nicht akzeptieren, dass bei der einen oder anderen Frage beziehungsweise Entscheidung der Haushalt eben genau nicht unter Krisenaspekten genutzt wird, bei anderen jedoch ganz ultimativ und ablehnend. Denn wenn dem so ist, dann ist das wiederum nur eine Folge von bräsigem, arrogantem, selbstgefälligem und rücksichtslosem Geprotze der Konservativen und Alten – ein erneuter Beleg für generationenungerechte Machtpolitik. Dieser kann und muss man die Zustimmung verweigern. Jetzt und ganz grundsätzlich. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist Willkür.
Maifeld Derby als Symbol für mangelnde Wertschätzung
Popkultur und Jugendkultur waren die sexy Imageträger für die Musikstadt, Popakademie, Musikpark, Popbeauftragte Anfang der 00er-Jahre – sie sollten etwas nachhaltig schaffen, was im Potenzial immer vorhanden war. Und Timo Kumpf, mit Maifeld Derby und Delta Konzerte, lieferte dafür auch immer Belege, dass es dieses Potenzial geben kann. Am Ende wird er jedoch jetzt zum Negativbeweis dafür, dass das alles im Grunde nie wirklich ernst gemeint war, sondern einfach nur ein bisschen Marketing und Konfetti und im besten Fall Selbsterhalt jener Institutionen, die ohnehin nie ein Risiko eingehen woll(t)en oder dürfen. Die popkulturelle Hüpfburg auf dem Maimarkt der Eitelkeiten.
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Bundesmittel für die Oper, Wannen für die Popkultur
Dass der Kulturdezernent, der auf Peter Kurz folgte (Anm. d. Red.: Michael Grötsch, CDU), nie ein Interesse daran hatte, hier vorgezeigte Wege mutig weiterzugehen, ist das eine. Dass sich aber viel zu oft allein darauf berufen und bezogen wurde, zeigt die Kraft- und Mutlosigkeit der kulturpolitisch und kreativwirtschaftlich Verantwortlichen. Da hilft jetzt auch kein CDU-Bashing – warum hat man hier nicht Förderinstrumente jenseits kommunaler Haushalte gefunden und angewendet? Auch hier der Bezug zum NTM: Wenn dort Bundesmittel eingeworben werden konnten, warum gelang das hier nicht? Denn es ist keine Meisterleistung, aus einem Gesamtvolumen von irgendwas zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro des Gesamthaushalts gerade mal 100.000 Euro für das Popaushängeschild der Stadt herauszuschneiden – 1/15.000stel! Das dürfte vielleicht dem Bruttojahresgehalt des einen oder anderen in den kreativen verwaltungsnahen oder -internen Spitzenjobs dieser Stadt näherkommen. So mal als Vergleichsgröße.
Die Rechnung ohne die Popkultur gemacht
Wer in dem Statement samt E-Mail an den Kulturausschuss auf der Maifeld-Webseite liest, dass selbst das Stadtmarketing belegt, dass das Maifeld Derby über die sogenannte Umwegrentabilität für die Stadt Mannheim den vierfachen Wert des benötigten Fördervolumens erzielt, muss spätestens hier feststellen, dass hier doch völlig willkürlich Kulturpolitik gemacht wird. Das heißt in die aktuelle Praxis der Kulturpolitik in Sachen Pop übersetzt: alles, was immer an zu generierenden Wertschöpfungsketten behauptet wurde, will die Stadt möglichst zum Nulltarif und dem alleinigen Risiko bei den popkulturellen Akteuren. Wer so rechnet, möge uns bitte allen erklären, wie sich das beim Nationaltheater auch jenseits aller Sanierungen begründen lässt – oder besser: warum diese Rechnung da eigentlich nie aufgemacht wird?
Popkultur als Image, nicht als Priorität
Um hier nicht grundsätzlich falsch verstanden zu werden: Ich freue mich nicht nur für Mannheim, wenn es ein hochwertiges Opern- und Theaterhaus samt Orchester, Ensemble, Werkstätten, guten Bühnen und vielem mehr hat – es kann gar nicht genug Geld für Kultur geben. Aber: Dann fordere ich ein ebenso deutliches finanzielles Commitment für Pop-, Jugend- und Clubkultur. Das geht weit über kleine Förderlinien beim Kulturamt oder grundsätzliche, eher unklare Kreativwirtschaftskonstruktionen und halbgare Testivals hinaus. Mannheims marketingtechnische Elbphilharmonie war in den letzten Jahren sicher nicht das NTM und im Zweifel auch nicht die Popakademie, sondern tatsächlich, wenn überhaupt, das Derby. Gebracht hat das den mutigen Macher*innen nichts.
Timo Kumpf hätte vielleicht ein Klassikfestival da draußen auf der Wiese machen müssen, um das Maifeld Derby querzufinanzieren. Dann hätte er vermutlich sogar noch Geld für sich und sein Team sowie vermutlich weitere Programme mitnehmen können. Aber müssen er und viele andere sich wirklich auf so ein einfältiges Niveau begeben, um eine ernsthafte Chance zu haben? Oder muss sich die Musikstadt jetzt doch endlich mal klar werden, wie ernst sie es mit diesem Titel meint?
Was bleibt von der UNESCO City of Music?
Ich bin gespannt, was Mannheim beim nächsten Reeperbahnfestival über die UNESCO City of Music im Jahr 2026 berichten wird. Ein Bandförderprogramm wird kaputtgespart, das letzte coole Festival von Ehrenamtlichen unter der Brücke organisiert, und niemand kann sich erinnern, wann der letzte innovative Act aus der Popakademie hervorkam oder wo man regelmäßig unter der Woche einfach mal so auf ein Konzert gehen kann. All das weiß doch jetzt schon niemand ernsthaft zu beantworten.
Ein persönlicher Abschied: Danke, Timo
Es gibt so vieles, was man dazu sagen könnte und vermutlich auch noch müsste, aber am Ende möchte ich in erster Linie meinem Kumpel und Kommilitonen von früher vor allem eins mit auf den neuen Weg geben:
Endlich, Timo. Endlich! Es ist bitter, aber konsequent. Du hast uns allen etwas geschenkt, aber man ist schrecklich eitel damit umgegangen. Du musst hier ehrlich zu dir sein und auf dich aufpassen. So ergibt das keinen Sinn! Viel Kraft und Energie für das Abschiednehmen, viel Spaß und Genuss mit der neuen Freiheit und bitte, bitte lass uns nicht mit diesen Tempelrittern und Drachentötertötern alleine in Mannheim.
Danke, Timo. Danke, Maifeld.
Anm. d. Red.: Dieser Gastbeitrag wurde zunächst von Rainer Döhring auf seinem persönlichen Instagram-Account veröffentlicht. Wir dürfen ihn mit seiner freundlichen Genehmigung hier weiterverbreiten. Es wurden leichte redaktionelle Bearbeitungen vorgenommen, außerdem stammen die Zwischenüberschriften aus unserer Feder.
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Timo Kumpf hat eine Entscheidung getroffen, eine die weh tut. Ihm und vielen vielen Anderen. Dafür gibt es viele und auch viele gute Gründe.
Ein Gastbeitrag von Rainer Döhring
Einer, der in der Öffentlichkeit zu diskutieren ist, ist der ewige Kampf um Unterstützung, um nachhaltige finanzielle und im Zweifel auch institutionelle Förderung für Konzepte, Formate und Bühnen für ein Programm der Jungen und der Junggebliebenen, der Neugierigen, der Innovativen, der Progressiven, der Liebhaber*innen neuer Musik, junger Musik, vielleicht manchmal auch seltsamer Musik, Freunde der Vielfalt, des Experiments, manchmal auch der Hedonie, vor allem einer Kultur der Vielen. Das findet vielleicht nicht jeder Wagner-Fan cool, aber das beruht ja im Zweifel auch mal auf Gegenseitigkeit.
Commitment für die Kultur: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Ein Kampf also um angemessenes, aber auch um dringend notwendiges und vor allem um ein ernst gemeintes und dauerhaftes Commitment, auch und gerade einer Stadt, die sich frank und frei als UNESCO City of Music auszeichnen ließ – das Lindenblatt zwischen Popsiegfrieds Mannheimer Schultern aus kommunaler Popförderung und kreativer Stadtentwicklung. Commitment nicht nur im Sinne des Festivals und dessen sicherer Planbarkeit für seine(n) Macher, sondern in allererster Linie gegenüber einem Publikum, das eben auch ein Recht auf kulturelles Erleben und Genießen hat und das an seinem Support für das Maifeld Derby wiederum nie auch nur den Hauch eines Zweifels entstehen lassen hat.
Ein Ungleichgewicht: Die Tempel der Alten und die Vernachlässigung der Jungen
Genau deswegen ist es sowohl so bitter als auch so konsequent, wenn Timo Kumpf die Reißleine zieht. Denn aus seiner Sicht und der seiner Mitstreiter*innen, seiner Besucher*innen und im Zweifel auch der Künstler*innen muss man sich hier einer Haltung konfrontiert sehen, die sich gesellschaftlich in so vieler Weise zeigt: den Alten ihre Tempel, den Jungen im Zweifel nichts! Solange die einen die Füße unter den Tisch der anderen… dann hilft vielleicht nur der Auszug, der Abgang, der letzte Vorhang.
Investitionen in Steine, nicht in Menschen
Was ist damit gemeint? Während die einen sich ihre Musikstadt bauen und inventarisieren, wie sie wollen, ihre kulturellen Prunksäle mit dreistelligen Millionenbeträgen sanieren – und da spricht dann noch niemand von dem für die ernsten Cliquen, manchmal gefühlt vor allem sich selbst inszenierenden Wasserkopf an Intendanzen und deren kostenintensivem Regiment über eine Vielzahl an Saison-, pardon, Spielzeit-Arbeiter*innen im eigentlichen Betrieb – sondern einfach vom Sanieren, vom Interimsschaffen und Bespielen von Spielstätten, da ist noch nichts Unterhaltendes oder Inspirierendes passiert.
Wo bleibt die nachhaltige Förderung?
Während die einen hier also mit dem Geld aller um sich schmeißen, betteln die anderen um die zugewandte Wahrnehmung weniger Entscheider*innen, um Unterstützung, um finanzielle Trostpflasterchen, um nicht mal 1/1000stel (!!!) der NTM-Sanierungskosten, um ein mutiges und innovatives Programm für die Kinder und Kindeskinder dieses wohlstandsbesoffenen und äußerst nimmersatten Opern- und Theaterpublikums herzustellen. Das heißt: Wenn es bei den einen durchs Dach regnet, fließt das Geld in Strömen, um die Dächer zu vergolden. Wenn es bei den anderen durchs Dach regnet, werden Wannen darunter gestellt, mit denen dann das popkulturelle Kind samt dem Bade auf der Straße ausgeschüttet wird.
Musikstadt für wen?
Da ist Musikstadt ganz einfach eben nicht gleich Musikstadt – zumindest nicht für alle und schon gar nicht in gleichem Maße. Für die einen unterhält man Orchester und Ensembles, baut ihnen güldene Gräben und lüsterbeleuchtete Ränge, wenn man will, auch Jazzclubs in edlen Kellern. Für die anderen schafft man 5000-Euro-Fördertöpfe mit zwanzig Prozent Eigenbeteiligung und lässt sie zum Sonntagsshopping unterbezahlt auf der Straße spielen, wo sie doch nach den Kampagnen der 00er-Jahre nie landen sollten.
Die Willkür der Kulturpolitik
Für die einen nimmt man sich aus dem Haushalt, wie man es braucht, den anderen hält man vorwurfsvolle Predigten, ob ihnen die Haushaltslage denn nicht klar wäre. Nein, hier muss man auch dem ansonsten grundrichtigen Kommentar von Jörg-Peter Klotz aus dem Mannheimer Morgen vom 28.11. widersprechen. Man muss nicht akzeptieren, dass bei der einen oder anderen Frage beziehungsweise Entscheidung der Haushalt eben genau nicht unter Krisenaspekten genutzt wird, bei anderen jedoch ganz ultimativ und ablehnend. Denn wenn dem so ist, dann ist das wiederum nur eine Folge von bräsigem, arrogantem, selbstgefälligem und rücksichtslosem Geprotze der Konservativen und Alten – ein erneuter Beleg für generationenungerechte Machtpolitik. Dieser kann und muss man die Zustimmung verweigern. Jetzt und ganz grundsätzlich. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist Willkür.
Maifeld Derby als Symbol für mangelnde Wertschätzung
Popkultur und Jugendkultur waren die sexy Imageträger für die Musikstadt, Popakademie, Musikpark, Popbeauftragte Anfang der 00er-Jahre – sie sollten etwas nachhaltig schaffen, was im Potenzial immer vorhanden war. Und Timo Kumpf, mit Maifeld Derby und Delta Konzerte, lieferte dafür auch immer Belege, dass es dieses Potenzial geben kann. Am Ende wird er jedoch jetzt zum Negativbeweis dafür, dass das alles im Grunde nie wirklich ernst gemeint war, sondern einfach nur ein bisschen Marketing und Konfetti und im besten Fall Selbsterhalt jener Institutionen, die ohnehin nie ein Risiko eingehen woll(t)en oder dürfen. Die popkulturelle Hüpfburg auf dem Maimarkt der Eitelkeiten.
Bundesmittel für die Oper, Wannen für die Popkultur
Dass der Kulturdezernent, der auf Peter Kurz folgte (Anm. d. Red.: Michael Grötsch, CDU), nie ein Interesse daran hatte, hier vorgezeigte Wege mutig weiterzugehen, ist das eine. Dass sich aber viel zu oft allein darauf berufen und bezogen wurde, zeigt die Kraft- und Mutlosigkeit der kulturpolitisch und kreativwirtschaftlich Verantwortlichen. Da hilft jetzt auch kein CDU-Bashing – warum hat man hier nicht Förderinstrumente jenseits kommunaler Haushalte gefunden und angewendet? Auch hier der Bezug zum NTM: Wenn dort Bundesmittel eingeworben werden konnten, warum gelang das hier nicht? Denn es ist keine Meisterleistung, aus einem Gesamtvolumen von irgendwas zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro des Gesamthaushalts gerade mal 100.000 Euro für das Popaushängeschild der Stadt herauszuschneiden – 1/15.000stel! Das dürfte vielleicht dem Bruttojahresgehalt des einen oder anderen in den kreativen verwaltungsnahen oder -internen Spitzenjobs dieser Stadt näherkommen. So mal als Vergleichsgröße.
Die Rechnung ohne die Popkultur gemacht
Wer in dem Statement samt E-Mail an den Kulturausschuss auf der Maifeld-Webseite liest, dass selbst das Stadtmarketing belegt, dass das Maifeld Derby über die sogenannte Umwegrentabilität für die Stadt Mannheim den vierfachen Wert des benötigten Fördervolumens erzielt, muss spätestens hier feststellen, dass hier doch völlig willkürlich Kulturpolitik gemacht wird. Das heißt in die aktuelle Praxis der Kulturpolitik in Sachen Pop übersetzt: alles, was immer an zu generierenden Wertschöpfungsketten behauptet wurde, will die Stadt möglichst zum Nulltarif und dem alleinigen Risiko bei den popkulturellen Akteuren. Wer so rechnet, möge uns bitte allen erklären, wie sich das beim Nationaltheater auch jenseits aller Sanierungen begründen lässt – oder besser: warum diese Rechnung da eigentlich nie aufgemacht wird?
Popkultur als Image, nicht als Priorität
Um hier nicht grundsätzlich falsch verstanden zu werden: Ich freue mich nicht nur für Mannheim, wenn es ein hochwertiges Opern- und Theaterhaus samt Orchester, Ensemble, Werkstätten, guten Bühnen und vielem mehr hat – es kann gar nicht genug Geld für Kultur geben. Aber: Dann fordere ich ein ebenso deutliches finanzielles Commitment für Pop-, Jugend- und Clubkultur. Das geht weit über kleine Förderlinien beim Kulturamt oder grundsätzliche, eher unklare Kreativwirtschaftskonstruktionen und halbgare Testivals hinaus. Mannheims marketingtechnische Elbphilharmonie war in den letzten Jahren sicher nicht das NTM und im Zweifel auch nicht die Popakademie, sondern tatsächlich, wenn überhaupt, das Derby. Gebracht hat das den mutigen Macher*innen nichts.
Timo Kumpf hätte vielleicht ein Klassikfestival da draußen auf der Wiese machen müssen, um das Maifeld Derby querzufinanzieren. Dann hätte er vermutlich sogar noch Geld für sich und sein Team sowie vermutlich weitere Programme mitnehmen können. Aber müssen er und viele andere sich wirklich auf so ein einfältiges Niveau begeben, um eine ernsthafte Chance zu haben? Oder muss sich die Musikstadt jetzt doch endlich mal klar werden, wie ernst sie es mit diesem Titel meint?
Was bleibt von der UNESCO City of Music?
Ich bin gespannt, was Mannheim beim nächsten Reeperbahnfestival über die UNESCO City of Music im Jahr 2026 berichten wird. Ein Bandförderprogramm wird kaputtgespart, das letzte coole Festival von Ehrenamtlichen unter der Brücke organisiert, und niemand kann sich erinnern, wann der letzte innovative Act aus der Popakademie hervorkam oder wo man regelmäßig unter der Woche einfach mal so auf ein Konzert gehen kann. All das weiß doch jetzt schon niemand ernsthaft zu beantworten.
Ein persönlicher Abschied: Danke, Timo
Es gibt so vieles, was man dazu sagen könnte und vermutlich auch noch müsste, aber am Ende möchte ich in erster Linie meinem Kumpel und Kommilitonen von früher vor allem eins mit auf den neuen Weg geben:
Endlich, Timo. Endlich! Es ist bitter, aber konsequent. Du hast uns allen etwas geschenkt, aber man ist schrecklich eitel damit umgegangen. Du musst hier ehrlich zu dir sein und auf dich aufpassen. So ergibt das keinen Sinn! Viel Kraft und Energie für das Abschiednehmen, viel Spaß und Genuss mit der neuen Freiheit und bitte, bitte lass uns nicht mit diesen Tempelrittern und Drachentötertötern alleine in Mannheim.
Danke, Timo. Danke, Maifeld.
Anm. d. Red.: Dieser Gastbeitrag wurde zunächst von Rainer Döhring auf seinem persönlichen Instagram-Account veröffentlicht. Wir dürfen ihn mit seiner freundlichen Genehmigung hier weiterverbreiten. Es wurden leichte redaktionelle Bearbeitungen vorgenommen, außerdem stammen die Zwischenüberschriften aus unserer Feder.
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