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Das neue Bild der Frau – Wie Frau sich neu erschuf

Der kulturelle Aufbruch der Roaring Twenties: Die Ausstellung „Neue Sachlichkeit – Mannheims Jahrhundertjubiläum“ läuft bis 9. März 2025.

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Als Lotte Lenya 1928 am Berliner Schiffbauerdamm-Theater in Brechts Dreigroschenoper görenhaft-frech den Song der Seeräuber-Jenny vortrug, lag die Neue Sachlichkeit, mit der der damalige Mannheimer Kunsthallendirektor Gustav Friedrich Hartlaub Kunstgeschichte schrieb, quasi in ihren letzten Zügen. Die jetzige umfangreiche Jubiläumsausstellung mit mehr als 230 Arbeiten von 124 internationalen Künstler*innen, klug kuratiert von Inge Herold, versucht ebenso, Hartlaubs historische Schau von 1925 kritisch zu hinterfragen, so Direktor Johan Holten. Antwort darauf zu geben: Warum der junge avantgardistische Museumsmann keine einzige Künstlerin in sein Ausstellungskonzept aufgenommen hat.

Warum Künstlerinnen fehlten

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Alexander Kanoldt: Stillleben II, 1925. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Dauerleihgabe der Freunde des Landesmuseums Darmstadt, Wolfgang Furmannek

An der damaligen rein nationalen Ausrichtung allein kann es wohl kaum gelegen haben. Ein Blick auf die Zeittafel zeigt, dass dass auch in Deutschland 1918 die meisten Kunstakademien dem weiblichen Geschlecht offenstanden. Private Malschulen etc. sowieso. Das angeführte Argument, dass sich Malerinnen noch in der Entwicklungsphase befanden, ist äußerst adynamisch. Gewiss: Die von Herold ausgestellten Arbeiten wie Hannah Höchs Stillleben „Gläser“, Lotte B. Prechners „Jazztänzerin“, Georgia O’Keeffes „Single Lily with Red“, Ilona Singers „Bildnis Robert von Mendelssohn“ oder Dodos „Logenlogik“ entstanden zumeist zwei bis drei Jahre nach Hartlaubs Ausstellung.

Doch die despektierliche Antwort mutet schlichter an: Die wilhelminische Epoche war zwar vorbei, aber die Machtstrukturen der Oberschicht, auch im Kunstbetrieb, blieben in der Weimarer Republik konstant. Und mit unbekannten Namen ließ sich kein gewinnbringender Handel betreiben. Keine Win-win-Situation schaffen. Und Hartlaub, dem die Ausstellung erst nach zweimaligem Anlauf gelang, wollte wahrscheinlich die Kunstwelt, bestehend aus konkurrierenden Museumsdirektoren, Kunsthändlern, Mäzenen und Sammlern, nicht verstimmen.

Namen, die für Erfolg standen

Klingende Namen wie Max Beckmann, Otto Dix oder ein George Grosz (alle in der Ausstellung präsent) garantierten Ruhm, Ehre und Anlagevermögen. Auch Hartlaub sicherte sich u. a. Beckmanns „Fasnacht“, Dix‘ „Streichholzhändler“ oder Grosz‘ „Das Porträt des Schriftstellers Max Hermann-Neiße“ für die Kunsthallensammlung.

Die Auswahl der aktuellen Ausstellung

Zurück zur jetzigen Ausstellungskonzeption, darunter 21 Künstlerinnen. Ignorieren wir mal die bekannten Protagonisten der Neuen Sachlichkeit – Beckmann ließ neben sich nur noch Picasso als Malerfürst gelten – und betreten die, wie gesagt, klug kuratierte Ausstellung von Inge Herold.

Die Hängung: Auf graugrünem, blassblauem und ockerfarbenem Grund leuchtende Farbigkeit. Komplementär und kontrastreich. Sachlich-kühle Formensprache. Sofort bleibt der umherschweifende Blick an einem inspirierenden Zitat hängen:

Mode ist nichts, was nur in der Kleidung existiert. Mode ist in der Luft, auf der Straße. Mode hat etwas mit Ideen zu tun, mit der Art, wie wir leben, mit dem, was passiert.

Coco Chanel und der Geist der Zwanziger

Eins der legendären Zitate von Coco Chanel. Haute-Couture-Influencerin, bekannt als Coco, die mit dem Kleinen Schwarzen die Modewelt revolutionierte, stand für die Maxime „Mode ist vergänglich. Stil niemals.“

Großstadtrhythmus im Film

Folgt man dem Bilderparcours, fällt der Blick beim Betreten der Räume auf Filmsequenzen. Großstadtszenen. Schwarz-weiße, schnell wechselnde Filmmontagen. Projiziert auf transparente Leinwände. Walther Ruttmanns experimenteller Dokumentarfilm „Die Sinfonie der Großstadt“ versetzt das Publikum in die „Goldenen Zwanziger“ der Weimarer Republik. Setzt kontrastierende Bilder hart gegeneinander. Herrschaftliche Villen gegen triste Mietskasernen. Das Kameraauge erfasst Autos, Züge, Straßenbahnen: den Rhythmus der Großstadt.

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Cinema Quadrat, Netzwerkpartner, zeigt im Kontext der Neuen Sachlichkeit den Neuen Frauentypus im Film. Samstag, den 14.12., um 18 Uhr flimmern drei Stummfilme (begleitet von Jens Schlichting, Klavier) über die Leinwand; die Facetten dieses veränderten Frauenbildes, „das zwischen neusachlicher Darstellung junger, berufstätiger Frauen mit Kurzhaarschnitt, rauchend, in Straßencafés, auf den Boulevards, am Wannsee („Menschen am Sonntag“) und dem gefährlichen Vamp („Asphalt“), ein Höhepunkt in Sachen Stummfilmproduktion der UFA, oszilliert.“

Das Porträt der Tänzerin Anita Berber

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Otto Dix: Bildnis der Tänzerin Anita Berber, 1925, Sammlung LBBW im Kunstmuseum Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Foto: bpk / Kunstmuseum Stuttgart / Frank Kleinbach

Was das Ölbild „Bildnis der Tänzerin Anita Berber“, eine Leihgabe des Kunstmuseums Stuttgart, das Dix 1925 malte, plastisch zeigt: die Tänzerin als Femme fatale in feuerrotem wie auf den Körper gemeißelten Kleid, das Gesicht maskenhaft erstarrt. Anita Berber, skandalumwitterte Performerin expressiver Bühnenshows, starb im Alter von 29 Jahren.

Die Zäsur des Nationalsozialismus

Lässt man am Ende der Ausstellung vor seinem geistigen Auge die Liste von Hartlaubs Künstlern nochmals Revue passieren, konstatiert man, dass Künstlerinnen zwar abwesend, aber als Porträtierte vielfach sichtbar waren. Knapper Kommentar einer begleitenden Kunstkritikerin: „Wär ja auch tödlich ohne.“ Schöne Idee, Hartlaubs historische Ausstellung in einer multimedialen Raumprojektion visuell erlebbar zu machen. Denn sieben Werke gelten als zerstört. Zwanzig Gemälde als verschollen. Andere fielen der Aktion „Entartete Kunst“ zum Opfer.

Ein Leitbild wird revidiert

Das Neue Bild der Frau hatte sich in den Goldenen Zwanzigern, die für die, die in den Mietskasernen und tristen Hinterhöfen lebten, gar nicht golden waren, unweigerlich etabliert. Künstlerinnen wie Germaine Krull, Dora Kallmus oder Florence Henry stießen in das bisher Männern vorbehaltene neue Berufsfeld Fotografie vor. Leider in der Jahrhundertschau nicht vertreten.

Dann kam die Zäsur des Tausendjährigen Reichs. Terror und Gleichschaltung. Verpasste wie vielen Künstlern auch Beckmann, Hartlaubs Favorit – und Dix, dem rigorosen Porträtisten, den Stempel „entartet“ und enthob sie ihrer Professuren. Grosz, bekannt für seine kritischen Sozialstudien, zerrte man wegen Gotteslästerung und Unzucht vor Gericht, ging nach Amerika. Andere ins innere Exil. Ilona Singer, weil jüdisch, wurde im KZ Auschwitz ermordet. Was die Ausstellung auch zeigt, ist, dass sich nicht wenige Künstler der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten andienten.

Das Neue Bild der Frau wurde revidiert. Das alte Bild wieder instand gesetzt. Das Neue, alte Leitmotiv, die Frau als Mutter und Gebärerin, dominierte nun wieder Deutschlands Kunstlandschaft.

Der reich bebilderte Katalog (408 S., Deutscher Kunstverlag) ist für 40 Euro im Museumsshop erhältlich.

Das vollständige Begleitprogramm der Kunsthalle von Hörbar (schöne Koinzidenz: die Geburtsjahre des Hörspiels fallen mit dem stilbildenden Ausstellungsjahr zusammen) bis kreativer Werkstation unter www.kuma.art.

Das Filmprogramm ist auf www.cinema-quadrat.de abrufbar.

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Elvira Richter studierte Kunst in Washington D.C. und Kommunikations-Design in Mannheim, veröffentlichte verschiedene Hörspiele, arbeitet als Online-Journalistin; betreut die Öffentlichkeitsarbeit für Kunststiftungen/Kulturinstitutionen. Nach Stationen in Washington, Amsterdam und Rom lebt und arbeitet sie in Berlin und Mannheim.

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