Der Kallendresser zeigt den zum Hitlergruß gestreckten Armen den blanken Hintern – ein klares Bekenntnis gegen Faschismus | Illustration: Neckarstadtblog
Die Stadt Mannheim untersagt politische Satire beim Fasnachtsumzug. Die Begründung: Ein strenges Neutralitätsgebot vor der Bundestagswahl.
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Die Stadt Mannheim hat die Entscheidung verteidigt, einen ursprünglich für den Fasnachtsumzug vorgesehenen politischen Motivwagen nicht zu zeigen. Stadtsprecher Dirk Schuhmann begründete dies mit der Verpflichtung zur gesteigerten politischen Neutralität vor der Bundestagswahl am 23. Februar. Der Faschingsumzug selbst findet am 2. März statt – sieben Tage nach der Wahl. Dennoch sieht die Stadt eine mögliche Beeinflussung als problematisch an.
Wie kam es zur Entscheidung?
Ein Redakteur des Mannheimer Morgen hatte bei der Stadt nachgefragt, nachdem er auf einen Online-Bericht zur geplanten Ausleihe des Wagens aufmerksam wurde. Der Wagen war ursprünglich im Kölner Karneval im Einsatz und zeigte eine satirische Darstellung einer politischen Partei – inklusive deren Logo. Während des Transports nach Mannheim wurde er beschädigt, wodurch letztlich entschieden wurde, ihn nicht zu reparieren und nicht einzusetzen.
Der Wagen zeigt den sogenannten „Kallendresser“, eine historisch-kölsche Figur, die ihr Geschäft in die Regenrinne macht. In diesem Fall scheißt er – stellvertretend für alle Kölner Karnevalisten – auf die Nazis. Dazu ruft er ihnen Götz von Berlichingens berühmte Worte zu: „Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken.“ Eine klare, unmissverständliche Botschaft gegen Rechtsextremismus – und doch war sie der Stadt Mannheim offenbar zu brisant.
Inzwischen ist bekannt, dass die Entscheidung, den Wagen nicht zu reparieren und nicht mitfahren zu lassen, bereits Mitte Januar fiel. Laut Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) wurde dies in Absprache mit dem Rechtsamt der Stadt Mannheim beschlossen. Das bedeutet, dass die Stadtverwaltung aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden war – es war keine reine Geschäftsführungsentscheidung der städtischen Veranstaltungsfirma VTM, wie Specht das hinstellen will.
Der VTM-Aufsichtsrat wurde nicht beteiligt, da es sich laut Specht um eine „operative Entscheidung“ gehandelt habe – und das, obwohl die Causa von höchster politischer Brisanz ist und sogar das städtische Rechtsamt hinzugezogen wurde. Dass eine solche Entscheidung ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsgremium getroffen wurde, wirft Fragen über den internen Umgang mit politischen Konfliktthemen auf.
Gab es vorab eine Debatte?
Eine öffentliche Diskussion über die Teilnahme des Wagens gab es nicht. Erst als der MM-Redakteur nachfragte, begründete die Verwaltung ihre Entscheidung öffentlich mit der Neutralitätspflicht.
Interessanterweise wurde zunächst argumentiert, dass die Neutralität während des Umzugs gewahrt werden müsse. Nun führt die Stadt eine neue Begründung an: Nicht der Wagen selbst, sondern bereits die öffentliche Diskussion über seine Teilnahme in der Vorwahlzeit sei problematisch. Laut Stadtsprecher bestehe die Gefahr einer erfolgreichen Wahlanfechtung, weil sich durch die Berichterstattung und öffentliche Debatte eine „neutralitätsrechtlich relevante Wirkung“ entfalten könnte.
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Doch hätte die Stadt den Wagen überhaupt reparieren lassen? Oder war die Beschädigung ohnehin der eigentliche Grund, ihn nicht einzusetzen? Falls ja, dann war das Neutralitätsgebot nur eine unnötige nachträgliche Rechtfertigung. Falls nein, dann wäre die Entscheidung unabhängig von politischen Erwägungen gefallen. Nun hat die Stadt die Causa jedenfalls politisch aufgeladen.
Meinungsfreiheit oder Neutralitätspflicht – welche wiegt schwerer?
Der Fasching lebt von politischer Satire. Während in Köln eine unabhängige Gesellschaft den Umzug organisiert, übernimmt in Mannheim nun ein städtisches Tochterunternehmen die Aufgabe – und schränkt prompt politische Inhalte ein. Damit wird ausgerechnet der Veranstalter selbst zum Problem.
Die Stadt scheint der Meinung zu sein, dass eine Positionierung für Demokratie und Grundrechte gegen ihr Neutralitätsgebot verstößt, bleibt eine konkrete Antwort aber schuldig und stiehlt sich aus der Verantwortung. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Sollte eine Stadtverwaltung nicht genau für diese Werte eintreten? Dass sie sich stattdessen auf eine formale Neutralitätspflicht zurückzieht, wirkt wie ein Versuch, einer politischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen.
Hätte es mildere Maßnahmen gegeben?
Die Stadt lehnt eine Anpassung des Wagens mit der Begründung ab, dass dessen ursprünglicher Inhalt bereits öffentlich bekannt sei. Doch warum hat sie es nicht wenigstens versucht? Es wäre denkbar gewesen, die Logos zu entfernen oder den Wagen so umzugestalten, dass er eine allgemeinere politische Botschaft vermittelt. Antifaschismus war doch schließlich mal Staatsräson. Auch in Mannheim.
Eine problematische Entscheidung mit Signalwirkung
Die Stadt argumentiert, dass die Neutralitätspflicht nur für das städtische Tochterunternehmen gilt, nicht für die teilnehmenden Vereine. Doch warum übernahm sie dann überhaupt die Organisation? Die Karneval-Kommission Mannheim e.V. hatte 2023 erklärt, den Umzug nicht mehr stemmen zu können. Die Stadt sprang ein, um das Fest zu retten.
Damit musste sie jedoch auch eine Abwägung zwischen Neutralität und Meinungsfreiheit treffen – und entschied sich klar gegen die Meinungsfreiheit. Eine rein formale Interpretation des Neutralitätsgebots sollte aber nicht dazu führen, dass demokratische Meinungsäußerungen im öffentlichen Raum unterbunden werden.
Die Stadt muss sich nun gefallen lassen, dass der Eindruck entstanden ist, sie habe aus Rücksicht auf eine als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestufte Partei in die Kunstfreiheit eingegriffen. Somit wurde die Stadt doch selbst zum politischen Akteur. Bessere Wahlwerbung hätte die angeblich neutrale Verwaltung für die Undemokraten nicht machen können.
Quellen: Auskunft der Stadt Mannheim, Mannheimer Morgen
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Die Stadt Mannheim untersagt politische Satire beim Fasnachtsumzug. Die Begründung: Ein strenges Neutralitätsgebot vor der Bundestagswahl.
Die Stadt Mannheim hat die Entscheidung verteidigt, einen ursprünglich für den Fasnachtsumzug vorgesehenen politischen Motivwagen nicht zu zeigen. Stadtsprecher Dirk Schuhmann begründete dies mit der Verpflichtung zur gesteigerten politischen Neutralität vor der Bundestagswahl am 23. Februar. Der Faschingsumzug selbst findet am 2. März statt – sieben Tage nach der Wahl. Dennoch sieht die Stadt eine mögliche Beeinflussung als problematisch an.
Wie kam es zur Entscheidung?
Ein Redakteur des Mannheimer Morgen hatte bei der Stadt nachgefragt, nachdem er auf einen Online-Bericht zur geplanten Ausleihe des Wagens aufmerksam wurde. Der Wagen war ursprünglich im Kölner Karneval im Einsatz und zeigte eine satirische Darstellung einer politischen Partei – inklusive deren Logo. Während des Transports nach Mannheim wurde er beschädigt, wodurch letztlich entschieden wurde, ihn nicht zu reparieren und nicht einzusetzen.
Der Wagen zeigt den sogenannten „Kallendresser“, eine historisch-kölsche Figur, die ihr Geschäft in die Regenrinne macht. In diesem Fall scheißt er – stellvertretend für alle Kölner Karnevalisten – auf die Nazis. Dazu ruft er ihnen Götz von Berlichingens berühmte Worte zu: „Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken.“ Eine klare, unmissverständliche Botschaft gegen Rechtsextremismus – und doch war sie der Stadt Mannheim offenbar zu brisant.
Inzwischen ist bekannt, dass die Entscheidung, den Wagen nicht zu reparieren und nicht mitfahren zu lassen, bereits Mitte Januar fiel. Laut Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) wurde dies in Absprache mit dem Rechtsamt der Stadt Mannheim beschlossen. Das bedeutet, dass die Stadtverwaltung aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden war – es war keine reine Geschäftsführungsentscheidung der städtischen Veranstaltungsfirma VTM, wie Specht das hinstellen will.
Der VTM-Aufsichtsrat wurde nicht beteiligt, da es sich laut Specht um eine „operative Entscheidung“ gehandelt habe – und das, obwohl die Causa von höchster politischer Brisanz ist und sogar das städtische Rechtsamt hinzugezogen wurde. Dass eine solche Entscheidung ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsgremium getroffen wurde, wirft Fragen über den internen Umgang mit politischen Konfliktthemen auf.
Gab es vorab eine Debatte?
Eine öffentliche Diskussion über die Teilnahme des Wagens gab es nicht. Erst als der MM-Redakteur nachfragte, begründete die Verwaltung ihre Entscheidung öffentlich mit der Neutralitätspflicht.
Interessanterweise wurde zunächst argumentiert, dass die Neutralität während des Umzugs gewahrt werden müsse. Nun führt die Stadt eine neue Begründung an: Nicht der Wagen selbst, sondern bereits die öffentliche Diskussion über seine Teilnahme in der Vorwahlzeit sei problematisch. Laut Stadtsprecher bestehe die Gefahr einer erfolgreichen Wahlanfechtung, weil sich durch die Berichterstattung und öffentliche Debatte eine „neutralitätsrechtlich relevante Wirkung“ entfalten könnte.
Doch hätte die Stadt den Wagen überhaupt reparieren lassen? Oder war die Beschädigung ohnehin der eigentliche Grund, ihn nicht einzusetzen? Falls ja, dann war das Neutralitätsgebot nur eine unnötige nachträgliche Rechtfertigung. Falls nein, dann wäre die Entscheidung unabhängig von politischen Erwägungen gefallen. Nun hat die Stadt die Causa jedenfalls politisch aufgeladen.
Meinungsfreiheit oder Neutralitätspflicht – welche wiegt schwerer?
Der Fasching lebt von politischer Satire. Während in Köln eine unabhängige Gesellschaft den Umzug organisiert, übernimmt in Mannheim nun ein städtisches Tochterunternehmen die Aufgabe – und schränkt prompt politische Inhalte ein. Damit wird ausgerechnet der Veranstalter selbst zum Problem.
Die Stadt scheint der Meinung zu sein, dass eine Positionierung für Demokratie und Grundrechte gegen ihr Neutralitätsgebot verstößt, bleibt eine konkrete Antwort aber schuldig und stiehlt sich aus der Verantwortung. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Sollte eine Stadtverwaltung nicht genau für diese Werte eintreten? Dass sie sich stattdessen auf eine formale Neutralitätspflicht zurückzieht, wirkt wie ein Versuch, einer politischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen.
Hätte es mildere Maßnahmen gegeben?
Die Stadt lehnt eine Anpassung des Wagens mit der Begründung ab, dass dessen ursprünglicher Inhalt bereits öffentlich bekannt sei. Doch warum hat sie es nicht wenigstens versucht? Es wäre denkbar gewesen, die Logos zu entfernen oder den Wagen so umzugestalten, dass er eine allgemeinere politische Botschaft vermittelt. Antifaschismus war doch schließlich mal Staatsräson. Auch in Mannheim.
Eine problematische Entscheidung mit Signalwirkung
Die Stadt argumentiert, dass die Neutralitätspflicht nur für das städtische Tochterunternehmen gilt, nicht für die teilnehmenden Vereine. Doch warum übernahm sie dann überhaupt die Organisation? Die Karneval-Kommission Mannheim e.V. hatte 2023 erklärt, den Umzug nicht mehr stemmen zu können. Die Stadt sprang ein, um das Fest zu retten.
Damit musste sie jedoch auch eine Abwägung zwischen Neutralität und Meinungsfreiheit treffen – und entschied sich klar gegen die Meinungsfreiheit. Eine rein formale Interpretation des Neutralitätsgebots sollte aber nicht dazu führen, dass demokratische Meinungsäußerungen im öffentlichen Raum unterbunden werden.
Die Stadt muss sich nun gefallen lassen, dass der Eindruck entstanden ist, sie habe aus Rücksicht auf eine als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestufte Partei in die Kunstfreiheit eingegriffen. Somit wurde die Stadt doch selbst zum politischen Akteur. Bessere Wahlwerbung hätte die angeblich neutrale Verwaltung für die Undemokraten nicht machen können.
Quellen: Auskunft der Stadt Mannheim, Mannheimer Morgen
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