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Kriminalitätsstatistik 2024: Ein differenzierter Blick ist nötig

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Presseinformationen der Polizei (Symbolbild) | Foto: M. Schülke

Die Kriminalitätsstatistik zeigt 2024 in Mannheim einen Anstieg. Doch was die Zahlen bedeuten, wird erst bei genauerem Hinsehen ersichtlich.

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Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2024 präsentiert für Mannheim ein ambivalentes Bild. Während im gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Mannheim – einschließlich Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis – ein Rückgang der Kriminalität verzeichnet wurde, zeigt sich für die Stadt Mannheim ein anderer Trend: Mit 31.542 registrierten Straftaten stieg die Zahl um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr, was 629 zusätzlichen Fällen entspricht.

Licht und Schatten in der Kriminalitätsentwicklung

Die Statistik verdeutlicht, dass Mannheim in bestimmten Kriminalitätsbereichen weiterhin herausgefordert ist. Besonders auffällig sind die Anstiege bei Sexualdelikten und Straftaten gegen das Leben.

Bei den Sexualdelikten wurden 622 Fälle registriert, ein Anstieg um 20,5 Prozent. Die Polizei verweist darauf, dass ein Teil der auffälligen Steigerung im Stadtkreis Mannheim „durch mehrere Online-Anzeigen wegen sexueller Belästigung ausgehend von einer einzelnen Person“ zu erklären sei. Gleichzeitig spielt die gestiegene Sensibilität für sexualisierte Gewalt eine Rolle. Ein erheblicher Teil der Delikte entfällt auf digitale Straftaten, etwa im Zusammenhang mit Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern. Bemerkenswert ist, dass fast 80 Prozent der Taten im privaten Raum stattfanden, was die unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten der Polizei begrenzt.

Noch deutlicher ist der Anstieg bei den Straftaten gegen das Leben: Von 18 Fällen im Vorjahr stieg die Zahl auf 24, was einem Plus von 33,3 Prozent entspricht. Obwohl die absoluten Zahlen gering erscheinen, wiegt jede dieser Taten schwer. Positiv hervorzuheben ist die hohe Aufklärungsquote von 94,6 Prozent in diesem Bereich, was auf effektive Ermittlungsarbeit hindeutet.

Erfolge in anderen Deliktfeldern

Trotz des Anstiegs in der Gesamtkriminalität gibt es auch positive Entwicklungen. In mehreren Bereichen sind deutliche Rückgänge zu verzeichnen, darunter Raubdelikte, Rauschgiftkriminalität und Messerangriffe. Die Polizei führt diese Entwicklungen auf gezielte Maßnahmen zurück, etwa auf Kontrollkonzepte in der Innenstadt, Präventionsarbeit an Schulen und die Einrichtung von Waffenverbotszonen. Die Teillegalisierung von Cannabis hat zudem einen messbaren Effekt auf die Statistik gehabt. Seit April 2024 entfielen zahlreiche Anzeigen im Zusammenhang mit dem Besitz geringer Mengen.

Aussagekraft und Grenzen der PKS

Die PKS ist kein Spiegel der gesamten Kriminalität in einer Stadt, sondern ein Abbild der bei der Polizei bekannt gewordenen Straftaten. Sie dokumentiert Ermittlungsanlässe und Erfolge polizeilicher Arbeit – nicht jedoch den Ausgang von Strafverfahren. Ob eine Tat zur Anklage oder zu einer Verurteilung führt, bleibt unberücksichtigt. Ebenso wenig erfasst die Statistik das Dunkelfeld, also jene Straftaten, die nie zur Anzeige kommen. Insofern bildet die PKS weniger die Kriminalität als solche ab, sondern vielmehr das, was polizeilich bearbeitet wurde. Wer daraus Schlüsse zieht, sollte sich dieser Grenze bewusst sein. Die Kriminalstatistik ist ein wichtiges Instrument, aber keine vollständige Wahrheit.

Einfluss auf das Sicherheitsgefühl

Statistiken allein können das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nicht vollständig abbilden. Ereignisse wie der Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz am 31. Mai 2023, bei dem der Polizeibeamte Rouven Laur tödlich verletzt wurde, haben die Stadt nachhaltig erschüttert. Solche Taten hinterlassen Spuren weit über die Zahlen hinaus. Sie verändern das Klima in der Stadt, schärfen den Blick auf Bedrohungen – und rufen nach sichtbaren Antworten durch Staat und Gesellschaft.

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Ein blinder Fleck: Femizide bleiben unerfasst

Ein Thema, das in der Polizeilichen Kriminalstatistik 2024 ebenso wie im Artikel des _Mannheimer Morgen_ unberücksichtigt bleibt, sind Femizide oder geschlechtsspezifische Tötungen von Frauen. Zwar finden sich Angaben zu den Straftaten gegen das Leben, darunter auch Tötungsdelikte, und zu den Geschlechtern der Opfer und Tatverdächtigen. Eine gezielte Auswertung oder Kategorisierung nach dem Motiv „Frauenhass“ oder partnerschaftsbezogenen Tötungen erfolgt jedoch weder im statistischen Bericht noch in der journalistischen Aufbereitung.

Die PKS nennt in diesem Zusammenhang: Von insgesamt 41 Opfern waren 31 männlich und 10 weiblich, wobei in der Mehrzahl der Fälle ein persönlicher Bezug zwischen Täter und Opfer bestand. Daraus lässt sich ableiten, dass auch Tötungen von Frauen durch (Ex-)Partner oder Familienangehörige darunter sein können. Ob es sich dabei um Femizide im engeren Sinne handelt – also Morde an Frauen, weil sie Frauen sind –, wird nicht untersucht oder benannt.

Eine gesonderte statistische Erfassung von Femiziden erfolgt in Deutschland bisher nicht systematisch, was immer wieder kritisiert wird – auch von Fachstellen wie dem Bundeskriminalamt oder frauenpolitischen Organisationen. Für eine journalistische oder politische Bewertung solcher Taten wären daher zusätzliche Quellen jenseits der PKS erforderlich, etwa aus Gerichtsverfahren oder spezialisierten Beratungsstellen.

Polizei zwischen Kontrolle und Prävention

Trotz steigender Fallzahlen in der Stadt verweist das Polizeipräsidium auf Erfolge. Die Aufklärungsquote in Mannheim stieg leicht auf 59,8 Prozent. In mehreren Feldern – insbesondere Eigentum, Drogen und Gewalt im öffentlichen Raum – zeigen sich die Ergebnisse intensiver Polizeiarbeit. Projekte wie „Fokus: Sicherheit“ oder die Schulkampagne „Auf Messers Schneide“ zeugen vom Bemühen, Prävention und Kontrolle zu verbinden.

Doch die Statistik macht auch deutlich: Repressive Maßnahmen allein reichen nicht. Wenn 23 Prozent der Sexualstraftäter und 22 Prozent der Gewalttäter im öffentlichen Raum alkoholisiert waren, wenn fast jeder zweite Messerangriff keinen sozialen Bezug zwischen Täter und Opfer aufweist, dann liegt die Herausforderung nicht nur in der Strafverfolgung – sondern auch in der Sozialpolitik.

Zwischen Vertrauen und Wachsamkeit

Die Stadt Mannheim kann sich die Lage nicht schönreden. Der Anstieg der Gesamtkriminalität ist real – und betrifft besonders sensible Bereiche. Gleichzeitig zeigen Rückgänge bei Raub, Rauschgift und Gewalt im öffentlichen Raum, dass die Sicherheitsbehörden handlungsfähig sind.

Die PKS 2024 erlaubt daher keine einfache Bewertung. Sie ist weder Alarmzeichen noch Entwarnung, sondern ein Spiegel differenzierter Entwicklungen. Wer daraus die richtigen Schlüsse ziehen will, muss genauer hinsehen: auf Ursachen, auf gesellschaftliche Dynamiken – und auf die Menschen, die hinter den Zahlen stehen.

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